Für heute war ursprünglich geplant, dass der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu offiziell die ersten Schritt zur Umsetzung des sogenannten „Friedensplanes“ verkündet. Dieser ursprünglich von der US-Administration ausgearbeitete und von der israelischen Regierung abgesegnete Vorschlag sieht vor, dass große Teile des Westjordanlands von Israel annektiert werden sollen. Ein konkretes Vorgehen wurde in den vergangenen Tagen nicht ersichtlich und muss kritisch beobachtet werden.
Seit 1967 ist das Westjordanland von Israel völkerrechtswidrig besetzt. An diesem Umstand hat auch die Errichtung einer palästinensischen Autonomiebehörde im Jahr 1994 keine Änderung erbracht. Während die von Israel stark abhängigen palästinensischen Behörden einige Territorien selbstverwalten, obliegen Schlüsselpositionen und wichtige Gebiete nach wie vor der Kontrolle israelischer Sicherheitskräfte. Hinzu kommt eine Vielzahl an illegalen Siedlungen, die seit 1967 im Westjordanland errichtet worden sind und in denen mittlerweile über eine halbe Million jüdische Siedler leben. PalästinenserInnen in den besetzten Gebieten unterstehen seit jeher israelischem Militärrecht, Reisemöglichkeiten sind durch Checkpoints und Absperrungen erschwert bis unmöglich, der Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheit stark eingeschränkt.
Mit dem Schritt hin zur Annexion verbindenden die Herrschenden in Israel gleich mehrere Ziele: der aufgrund von Korruption angeklagte Netanjahu versucht sich erneut als „Retter der Nation“ zu inszenieren um sich und sein kriminelles Umfeld vor dem politischen Aus zu bewahren, desweiteren wird versucht von den massiven sozialen Problemen im Inneren abzulenken die sich im Zuge von Corona abermals verschärft hatten.
Die seit langem währende neoliberale Hegemonie und der ständig fortgeführte Sozialabbau dienten vor allem dazu die milliardenschwere Besatzung mit zu finanzieren, reichten aber bei weitem nicht zur Deckung der Kosten aus. Die direkte Annexion von Gebieten birgt zumindest längerfristig die Perspektive Kosten einzusparen und für das israelische Kapital neue Aussichten auf Profit. Nicht umsonst ist das fruchtbare und für die Landwirtschaft so überaus geeignete Jordantal ein Kernstück der gegenwärtigen Annexionspläne.
Eine Umsetzung der Annexionspläne würde der bereits seit Jahren sterbenden Zweistaatenlösung endgültig den Todesstoß versetzen! Ein lebensfähiger palästinensischer Staat verkommt damit definitiv zur Illusion, stattdessen würde sich die Besatzung abermals verschärfen und der rechtliche Status vieler PalästinenserInnen weiter in die Apartheid abrutschen. Netanjahu hat bereits klargemacht das die Bewohner der zu annektierenden Gebiete keine Staatsbürgerschaft erhalten würden.
Auf regionaler Ebene droht mit der Annexion ein enormes Eskalationspotential im Hinblick auf Israel und seine Nachbarn. Selbst Verträge zwischen Israel und dem engen US-Verbündeten Jordanien stehen aktuell auf dem Spiel. International hagelte es zwar Kritik von allen Seiten (bspw. Belgien), bisher blieb es aber weitgehend bei rhetorischen Spielereien, so auch im Falle der BRD.
Außenminister Heiko Maas zeigt sich zwar „besorgt“, sein Besuch in Israel Anfang Juni macht aber klar wo die Prioritäten der Bundesregierung liegen: Während Maas in Israel mehrere offizielle Gespräche führte, vermied er es in diesem Zusammenhang tunlichst einen Abstecher nach Ramallah, dem Sitz der palästinensischen Autonomiebehörde, zu unternehmen – lediglich ein kurze Videoschaltung soll stattgefunden haben. Die Herrschenden in Deutschland mögen sich hier wie so oft als politische Vermittler auf der Weltbühne inszenieren. Die seit Jahrzehnten zwischen der BRD und Israel bestehende politische, wirtschaftliche und militärische Kooperation – Waffenlieferungen in Form von Atomfähigen-U-Booten inklusive sowie der generellen militärischen Kooperation – spricht dabei aber eine andere Sprache.
Israel kann sich zumindest sicher sein, dass seine engsten internationalen Verbündeten, allen voran die USA aber auch Deutschland, trotz Annexionen weiterhin Rückendeckung geben werden. Widerstand kommt dafür aber von Innen: Anfang Juni demonstrierten Tausende in Tel Aviv gegen die damals nochausstehenden Annexionspläne, ganz vorne mit dabei auch die GenossInnen der Israelischen Kommunistischen Partei. Ebenso kam es vergangene Woche in den besetzten Gebieten zu größeren Protesten und mit der heute getätigten Ankündigung dürften noch weitere folgen.
Hiermit solidarisieren wir uns – als SDAJ – mit den Protesten gegen die Annektionspläne der israelischen Regierung und ihrer Verbündeten und fordern die sofortige Beendigung jeglicher Annektionen sowie deren Versuche.