Wem gehört Israel? Auf diese Frage hat die Knesset, das israelische Parlament, mit einem Nationalstaatsgesetz eine verbindliche Antwort geliefert: dem jüdischen Volk, und zwar nur dem jüdischen Volk.“ Das schrieb „Die Zeit“ vor drei Jahren. Mit dem Nationalstaatsgesetz wurden die arabischen Bürger Israels auch offiziell zu Bürgern zweiter Klasse degradiert. Mehr Arbeitslosigkeit, schlechtere medizinische Versorgung und weniger Sicherheit zeichnet die Gebiete mit mehrheitlich arabischer Bevölkerung in Israel aus. Selbst Arabisch ist keine zweite Amtssprache mehr. Alle diese Probleme potenzieren sich in den besetzten Gebieten und in Gaza, dem größten Freiluftgefängnis der Welt. Es sind soziale Probleme, die den Kampf um Palästina befeuern. Es ist die Besatzungspolitik. Es ist das israelische Apartheidsystem mit seinen drei Stufen, das die israelische Menschenrechtsorganisation B‘Tselem beschrieb.
Die Unterdrückung arabischer Proteste in Israel durch Polizei, Grenzschutz – zum Teil gemeinsam mit bewaffneten rechtsradikalen Zivilisten – bedroht tatsächlich die Stabilität Israels. Ein System von Besatzung und Apartheid kann keine stabile und friedliche Entwicklung gestalten. „Solange es die Besatzungspolitik gibt, so lange gibt es Widerstand“, erklärte der Knesset-Abgeordnete Ayman Odeh von der Chadasch, einem Bündnis linker Parteien in Israel, darunter die KP Israels.
Die USA und Europa fordern Solidarität mit Israel. Der rechte österreichische Bundeskanzler Kurz zeigt seine Solidarität mit der rechten Politik Netanjahus, indem er die israelische Fahne über dem Bundeskanzleramt in Wien hissen lässt. Die Bundesregierung „verurteilt die fortdauernden Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf israelische Städte auf das Schärfste“. Außenminister Heiko Maas (SPD) bezeichnet die massiven israelischen Luftangriffe als Selbstverteidigung, während Annalena Baerbock von den Grünen erklärt: „Wir stehen in diesen schwierigen Stunden an der Seite der Israelinnen und Israelis.“ Sie alle ignorieren das Schicksal der Palästinenserinnen und Palästinenser, die in Gaza noch nicht einmal die Möglichkeit zur Flucht haben.
Mittlerweile legt die israelische Luftwaffe Gaza in Schutt und Asche in einer Orgie der Gewalt, die Ausdruck eines institutionellen Rassismus ist. „Nur die Starken überleben“ war das Motto der Wahlspots von Benny Gantz, in denen er 2019 die Zerstörungen in Gaza durch die israelische Luftwaffe in einem früheren Krieg pries. Als Kriegsminister arbeitet er jetzt daran, weitere Teile von Gaza „in die Steinzeit zu bomben“. Mit ihren Aufrufen zur Solidarität mit Apartheid und Besatzungspolitik, die nur dürftig von der Solidarität mit einzelnen Opfern von Raketenangriffen in Israel überdeckt werden, zeigen die Politiker von Kurz bis Baerbock, dass sie nicht aus der Vergangenheit gelernt haben.
Und die Demonstranten, die ein Ende von Besatzungspolitik und Apartheid und ein Ende der Kämpfe fordern, werden als israelfeindlich, wenn nicht gar als antisemitisch gebrandmarkt. Ihre Demonstrationen werden unter dem Vorwand des fehlenden Infektionsschutzes bedrängt, verboten, aufgelöst.
Gestützt auf die Macht des Militärs versuchte Israel, den Frieden für seine jüdischen Bürger zu gewährleisten. Dieses Projekt ist gescheitert. Frieden gibt es nur für alle, ohne Besatzung und ohne Apartheid – oder gar nicht. In Tel Aviv, Jerusalem, Haifa gab es Demonstrationen gegen die militärische Eskalation und für die Zusammenarbeit von Palästinensern und jüdischen Israelis. Eine der Parolen war: „Palestinian lives matter!“ – auch die Leben von Palästinensern zählen.