Im Rahmen der Kampagne „Solidarität gewinnt“ gab es Mitte September in Baden-Württemberg in einer ganzen Reihe von Betrieben Proteste gegen Personalabbau, Werksschließungen und Sparpläne, so in verschiedenen Mahle- und Bosch-Standorten, bei Continental, MAN Mannheim, Eberspächer, Balluff und anderen. Bemerkenswert bei allen betrieblichen Aktionen war, dass auch immer Kolleginnen und Kollegen aus mehreren anderen Betrieben die Proteste unterstützten, stärkten und sich solidarisch zeigten. Bei den Aktionen, ebenso wie bei der digitalen Funktionärskonferenz in Baden-Württemberg und der Delegiertenversammlung in Stuttgart Ende September, wurde eine gemeinsame verbindende große Manifestation gegen die Angriffe des Kapitals, gegen die Entlassungswellen und Standortschließungen eingefordert als nächster Schritt nach den betrieblichen Aktionen. Die vom IGM-Vorsitzenden Jörg Hofmann eingebrachte Forderung nach einer Vier-Tage-Woche wurde begrüßt, aber in vielen Rede- und Chat-Beiträgen wurde der volle Lohnausgleich gefordert. Sowohl bei den Aktionen als auch den Konferenzen war deutlich zu spüren, dass die Kolleginnen und Kollegen nicht bereit sind, die Krisenkosten aus ihrer Tasche zu bezahlen, weder durch Entlassungen, Vernichtung von Standorten noch mit Verzichtsprogrammen. Die Erfahrungen der letzten Jahre führte bei vielen zu der Erkenntnis, dass Verzicht keine Arbeitsplätze rettet, sondern nur der gemeinsame Kampf hilft, die eigenen Interessen zu verteidigen.
Es ist lohnenswert, Arbeitskämpfe von kleineren Belegschaften in Kleinstädten wahrzunehmen und zu begleiten. Auch sie sind Teil der Arbeiterklasse und ihre Kämpfe haben eine hohe Ausstrahlung, weil die Bedeutung der Betriebe für diese Städte und Regionen hoch ist. Es entfalten sich oft hartnäckige, lang anhaltende Kämpfe, wie die Beispiele Voith Sonthofen und WMF Geislingen zeigen, und sie übernehmen Vorbildfunktionen in den jeweiligen Regionen, manchmal auch bundesweit. Hans Heinz Holz schrieb in seinem Buch „Kommunisten heute“: „Klassenkämpferische Solidarität ist darum ein wesentliches Moment des Klassenbewusstseins; und weil dem so ist, sind Aktionen des Klassenkampfes, in denen diese Solidarität hergestellt und gefestigt wird, selbst ein Element in der Entwicklung von Klassenbewusstsein.“
Proteste bei Mahle gegen Stellenabbau
Nachdem der Aufsichtsrat von Mahle am 16. September beschlossen hat, 7.600 Jobs weltweit abzubauen, davon alleine 2.000 in Deutschland, tagte am 24. September der Wirtschaftsausschuss des Gesamtbetriebsrates. Die Konzernleitung gab dort bekannt, dass Mahle zwei Werke schließen wird. Das Werk im baden-württembergischen Gaildorf mit rund 290 Kolleginnen und Kollegen soll im Laufe des Jahres 2023 geschlossen werden. Dort werden unter anderem Nockenwellen und Stahlteile für Nutzfahrzeuge und Autos gefertigt. Das Werk im sächsischen Freiberg mit 85 Mitarbeitern soll im ersten Halbjahr 2022 aufgegeben werden. Außerdem wird es Vernichtung von Arbeitsplätzen in der Konzernzentrale in Stuttgart, in den Betrieben Mühlacker und Vaihingen an der Enz sowie in Neustadt, Rottweil und St. Michael in Österreich geben. Baden-Württemberg trifft es am heftigsten mit 1.700 Stellenstreichungen. Das Unternehmen fährt seit 2018 einen strikten Sparkurs und hat im Zuge dessen bereits weltweit 6.700 Stellen vernichtet.
Bereits am Tag der Aufsichtsratssitzung organisierte der Mahle-Vertrauenskörper eine Menschenkette vor den Fenstern der Aufsichtsratssitzung in Stuttgart-Feuerbach. Am 22. September legten die Kolleginnen und Kollegen bei Mahle in Mühlacker und Vaihingen/Enz noch eine Schippe drauf. Bei der Kundgebung und anschließender Menschenkette entlang des Werks in Mühlacker unter dem Motto „Zukunft statt Abzocke“ beteiligten sich etwa 500 Beschäftigte. Beim „Band der Solidarität“ reihten sich auch viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus anderen Mahle-Standorten ein. Im Gegensatz zur „stillen Aktion“ in Feuerbach herrschte in Mühlacker eine kämpferische Stimmung, sowohl bei der Kundgebung wie auch bei der Menschenkette. Über einen Kilometer zog sich die beeindruckende Menschenkette am Werk entlang. Die Beschäftigten brachten mit Pfeifen, roten Plastik-Klatschhänden und La-Ola-Wellen ihren Unmut zum Ausdruck. Viele Autofahrer drückten ihre Solidarität mit Hupkonzerten beim Vorbeifahren aus. In kleineren Städten nehmen die Mitbürger die Sorgen und Nöte der Nachbarn eben noch ganz anders war. Die Gaildorfer Belegschaft protestierte noch am Tag der Bekanntgabe der Schließung mit einer Demo und Kundgebung dagegen. „Mahle bleibt – Operation Widerstand“ stand auf ihrem Transparent.
Demo bei Eberspächer gegen Personalabbau
Die Geschäftsleitung will 300 von 370 Mitarbeitern im Bereich Standheizungen bei Eberspächer in Esslingen abbauen und 20 Millionen einsparen. Ungefähr 270 Kolleginnen und Kollegen nahmen an der Demonstration und Kundgebung Mitte September teil. Besonders wütend machte die Beschäftigten, dass die Gesellschafter auch eine Verzinsung ihres Eigenkapitals mit einrechnen. „Auf der Bank bekommt man im Moment auch keine Zinsen für sein Geld. Warum sollen die Beschäftigten die Zinsen für die Gesellschafter erwirtschaften? Und dafür sollen 300 Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren. Das ist moralisch absolut unverschämt“, so Jürgen Groß, Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Esslingen. „Wir werden weiter für den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Heizungsfertigung in Esslingen kämpfen.“ Die Eberspächer Belegschaft erhielt Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen von Balluff, Bosch Leinfelden, Eberspächer Glasbau, Pilz und Index.
Aktionstag bei Balluff in Neuhausen
Der Sensortechnikhersteller Balluff plant massive Einsparungen und es trifft alle Bereiche. Die Fertigung soll komplett dicht gemacht werden, aber auch fast alle anderen Bereiche sind vom Stellenabbau betroffen. Weltweit ist geplant, 400 Jobs abzubauen, davon 240 am Hauptsitz in Neuhausen. Über 300 Beschäftigte protestierten in knallroten T-Shirts der IG Metall Mitte September mit einer Menschenkette um das Hauptgebäude gegen die geplanten massiven Einsparungen und freuten sich über die Solidarität der Kolleginnen und Kollegen von einem Dutzend anderer Betriebe. Im Anschluss an die Menschenkette trafen sich alle vor dem Haupttor zu einer kämpferischen Kundgebung. Die Parole „Solidarität gewinnt!“ unterstrichen viele mit geballten Fäusten. Beim kämpferischen Abschluss mit offenem Mikro gab es viele Solidaritätsbotschaften. Die Forderung nach der 30-Stunden-Woche für alle bei vollem Lohn- und Personalausgleich wurde als Perspektive genannt und eine gemeinsame Aktion aller, eine Großdemo in Stuttgart, wurde eingefordert und mit viel Beifall bedacht.