„Soldateska“, ein Begriff, der im 17. Jahrhundert, vor allem im dreißigjährigen Krieg, verbreitet war und eine verrohte, ungebildete Soldatenriege beschrieb, die gewalttätig und rücksichtslos durch die Lande zog. Gut dreieinhalb Jahrhunderte später wird dieser Begriff von Mitarbeitern aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BmBF) bemüht, um den Habitus der FDP-Führungsriege rund um Ministerin Bettina Stark-Watzinger zu beschreiben, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet. Mitarbeiter hatten in den vergangenen Wochen mehrfach die Alarmglocken geläutet, indem sie immer wieder interne Mails und Chatverläufe an die Presse durchstachen. Zuerst Mitte Mai, als der pikante Prüfauftrag zu fördermittelrechtlichen Konsequenzen für Berliner Lehrende öffentlich wurde, weil sie mit einem offenen Brief gegen die gewalttätige Räumung eines palästinasolidarischen Camps an der Freien Universität Berlin intervenierten. Und zuletzt Anfang Juli, als dem „Spiegel“ interne Chatverläufe zugespielt wurden, die zeigen, welcher Geist durch die Ministeriumsflure weht. Immer wieder werden kritische Wissenschaftler verunglimpft, als „verwirrt“ oder „schwarzer Block“ bezeichnet, gegen den es anzugehen gelte. Es wird offen von „Selbstzensur“ geträumt.
Dabei kommt ein solches Auftreten nicht von ungefähr: Mit der Übernahme des Ministerpostens hatte Stark-Watzinger Ende 2021 auch zentrale Stellen ihres Ministeriums neu besetzt. Dass dabei kräftig der FDP-Klüngel bedient wurde, überrascht im ersten Augenblick nur wenig. Ein genauerer Blick auf die Vita der beförderten Parteifreunde offenbart aber, dass es sich hier nicht einfach um Seilschaften von Berufspolitikern handelt: Mit Jörn Hasler, Dirk Schattschneider, Christian Thiel und Michael Zimmermann hat sich die Ministerin gleich vier altgediente Bundeswehr-Reservisten in die obere und mittlere Leitungsebene geholt, wohlgemerkt ins Bildungs- und Forschungsministerium.
Mit Dirk Schattschneider leitet ein ausgewiesener „Sicherheitspolitiker“ und Bundeswehroffizier die Zentralabteilung, die auch für die Organisation der Fördermittelrichtlinien zuständig ist. Schattschneider ist Absolvent des „Manfred-Wörner-Seminars“, eines von der Bundeswehr und der transatlantischen Denkfabrik German Marshall Fund initiierten Stelldicheins, das sich „an junge Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik“ richtet, wie es auf der Internetseite der Bundeswehr heißt.
Ein zweiter interessanter Charakter, der die Uniform gegen einen Anzug getauscht hat, ist Jörn Hasler, seines Zeichens Abteilungsleiter unter anderem für die Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Mit Hasler kamen 33 Jahre Dienstzeit beim Militär ins Forschungsministerium. Als studierter Staatswissenschaftler von der Bundeswehr-Uni in München hat sich Hasler an der französischen „École de Guerre“ (Schule des Kriegs) und der Führungsakademie der Bundewehr zum Oberst ausbilden lassen.
Was Schattschneider wie Hasler qualifiziert, zentrale Positionen in einem Ministerium zu bekleiden, das Forschung und Bildung organisieren und entwickeln soll, lässt sich nicht aus ihrem Lebenslauf herauslesen. Dass Mitarbeiter des Ministeriums wohl auch deshalb zu Whistleblowern werden, spricht dabei Bände. Und innerlich haben die FDP-Kameraden ihre Uniform auch nicht abgelegt: In einem im Frühjahr veröffentlichten Positionspapier mit dem Titel „Forschungssicherheit im Lichte der Zeitenwende“ wird auf neun Seiten die nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung für die Wissenschaften durchdekliniert. Nach dem Motto „Hinter jedem chinesischen Forscher steckt die Partei“, wie es Stark-Watzinger sinngemäß mal in einem Interview verlautbarte, werden Wissenschaftler auf „ihre Verantwortung für ihr Land“ eingestimmt. Dafür sollen künftig auch militärische Forschungsvorhaben kein Tabu mehr sein. Zugespitzt ließe sich sagen, hier soll ein Kadavergehorsam in den Laboren und Vorlesungssälen der deutschen Hochschulen durchgesetzt werden. Deshalb braucht es Hasler, Schattschneider und Co. genau in diesen Positionen.