Bundestag bestätigt Bundeswehreinsatz im Roten Meer. Zustimmung von Ampel, Union und AfD

„Soldatenglück“ fürs Kapital

Als der Deutsche Bundestag am vergangenen Freitag zusammenkam, um über die Beteiligung der Bundeswehr am EU-Kriegsein­satz „Eunavfor Aspides“ abzustimmen, war die Fregatte „Hessen“ schon längst ausgelaufen. Am 8. Februar hatte das Kriegsschiff Wilhelmshaven verlassen, um zunächst das Mittelmeer und dann über den Suezkanal das Rote Meer und die benachbarten Seegebiete anzusteuern. Dass sie erst nachher gefragt wurden, störte die Abgeordneten der ganz großen Kriegskoalition von SPD, Grünen, FDP, CDU/CSU und AfD nicht. Mit überwältigender Mehrheit stimmten sie für den Einsatz, den sie in zahlreichen Redebeiträgen selbst als „gefährlich“ bewerteten, bevor sie vom Rednerpult aus „allzeit Soldatenglück“ wünschten.

Die Zeit zwischen Marschbefehl und Trauerfeier sollen die 240 Männer und Frauen auf der „Hessen“ damit verbringen, gemeinsam mit anderen EU-Kriegsschiffen „die Schifffahrt auf einer der wichtigsten internationalen Handelsrouten im Roten Meer (zu) sichern und gegen Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen (zu) schützen“, heißt es auf der Website des Bundestags. Für Nachschub ist gesorgt: Der Bundestag erteilte ein Mandat für den Einsatz von bis zu 700 Soldaten. Die Ansar Allah (Huthi) hatten vor einiger Zeit damit begonnen, israelische Schiffe und solche mit Kurs auf Israel ins Visier zu nehmen, um ein Ende des Völkermords in Gaza zu erzwingen. In der Bundestagsdebatte spielte der brutale Krieg gegen die in Gaza eingesperrte Zivilbevölkerung kaum eine Rolle. Dafür war viel von Handelswegen, vom Iran und von „deutschen Interessen“ zu hören.

Letztere konnte auch Dietmar Bartsch („Die Linke“) erkennen. Für den Einsatz, den der ehemalige Fraktionsvorsitzende selbst als „Himmelfahrtskommando“ bezeichnete, sah er „gute Gründe“. Mehrere Unternehmer hätten ihm mitgeteilt, dass die Handelsroute durch das Rote Meer „für die Versorgung unseres Landes wichtig“ sei. Dann kam das große „Aber“. Man beschließe über ein europäisches Mandat „mit vier Schiffen. Ich darf mal sagen, davon werden sich die Huthi und auch der Iran null beeindrucken lassen“, so Bartsch. Am Ende seines Beitrags forderte er immerhin einen „Waffenstillstand in Gaza“ und lehnte den Einsatz ab.

Hannes Gnauck (AfD) simulierte Friedensrhetorik, sprach von Diplomatie und den Gefahren einer „unbeabsichtigten“ Eskalation mit dem Iran. Zugleich warf er der Bundesregierung „Symbolpolitik“ vor. Ging ihm der Einsatz zu weit oder nicht weit genug? Gnauck bediente beide Seiten und setzte damit die Strategie seiner Partei um, den Kriegs- und Aufrüstungskurs der Ampel mitzutragen und sich gleichzeitig als Oppositionskraft zu inszenieren. Nach vier Minuten des Lavierens und der Scheinkritik stand schließlich die Zustimmung der AfD zum Kriegseinsatz.

Ganz eindeutig nicht weit genug ging das Mandat der Unionsfraktion. Jürgen Hardt (CDU) kritisierte die seiner Meinung nach fehlende Zusammenarbeit mit der US-geführten Mission „Prosperity Guardian“, in deren Rahmen Ziele im Jemen bombardiert werden. Zudem müsse der Iran „in den Fokus genommen werden“. Sara Nanni von den Grünen verwies auf die „Nationale Sicherheitsstrategie“, laut der sich die Bundesrepublik für „die Freiheit der internationalen Seewege aktiv“ einsetze. „Die Huthis haben sich ohne Not zur Kriegspartei gemacht“, schimpfte sie, während sie ohne Not für einen Kriegseintritt Deutschlands warb.

Klare Ablehnung des Einsatzes kam von Sevim Dagdelen (BSW), die an die 200.000 getöteten Afghanen und 59 toten Bundeswehrsoldaten des Kriegseinsatzes in Afghanistan erinnerte. „Für all das haben Sie 20 Jahre lang die Hand gehoben“, erklärte Dagdelen. „Sie haben daraus nichts gelernt.“ Statt eines Militäreinsatzes brauche es einen „sofortigen Waffenstillstand in Gaza“.

Schon Stunden nach der Debatte schipperte die „Hessen“ im Suezkanal herum, wie die Positionsanzeige auf der Homepage der Stadt Hamburg verriet. Danach wurde vorerst kein neuer Standort mehr angezeigt. Vielleicht war aufgefallen, dass das Schiff die Online-Übermittlung des Fahrwegs abstellen sollte, wenn sich die Matrosen nicht allzu sehr aufs „Soldatenglück“ verlassen wollten. Nötig wäre das nicht, wenn die Fregatte in Wilhelmshaven geblieben wäre. Das sah auch Patrik Köbele, Spitzenkandidat der DKP zu den EU-Wahlen, so. Schon vor der Bundestagsdebatte hatte er in der vergangenen Woche erklärt, dass „die EU und Deutschland im Roten Meer nichts verloren“ haben.

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"„Soldatenglück“ fürs Kapital", UZ vom 1. März 2024



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