Den Anfang hab ich so schon in gefühlt 15 Pandemie-Zombie-Weltuntergangs-Apokalypsen gesehen: Eng aneinandergereihte Ausschnitte aus Nachrichtensendungen, die keinen Zweifel daran lassen, dass alles noch viel, viel schlimmer kommen wird. „Breitet sich weltweit immer schneller aus“, „Die Ruhe vor dem Sturm“, „Seit gestern gilt bundesweit ein Kontaktverbot“, „Es ist ernst, nehmen Sie es ernst“, ist von Moderatoren, Journalisten und Politikerinnen und Politikern zu hören. Doch dann ein Lichtblick: Professor Doktor Lothar H. Wieler vom Robert-Koch-Institut verkündet: „Wir sind dem nicht einfach schutzlos ausgeliefert.“ Die Bundeswehr steht schließlich bereit. Gegen wen? Gegen Corona.
Die neue YouTube-Serie der Bundeswehr „Einsatz gegen Corona – #Füreuchgemeinsamstark“ ist Propaganda vom Feinsten. In den ersten fünf Folgen – und mehr kann man definitiv nicht ertragen – wird schnell klar, worum es geht: Die Bundeswehr hilft. Und das ist gut so. Da freut sich zum Beispiel Hauptfeldwebel Michael beim Betreuen einer sogenannten „Abstrichstation“. „Ich kann direkt meinen Dienst tun für das, was ich da bin: für das deutsche Volk!“ Und das deutsche Volk? Ist „zutiefst dankbar“.
Eine Patientin nuschelt hinterm Mundschutz in die Kamera von einer „tollen Initiative der Bundeswehr“, Fähnrich zur See Christopher nimmt den überschwänglichen Dank einer älteren Frau entgegen, der er Lebensmittel nach Hause gebracht hat, und der Pilot, der die paar aus Bergamo übernommenen Alibi-Patienten nach Deutschland gebracht hat, spürt die tiefe „Dankbarkeit der Italiener“.
Garniert wird das Ganze mit der permanenten Betonung der Rechtmäßigkeit des Einsatzes der Bundeswehr im Innern. Von Kramp-Karrenbauer bis zu Hauptbootsmann Yvonne betonen alle die „Amtshilfe nach Artikel 35 Grundgesetz“, nicht ohne der Wiederholung überdrüssig zu werden, dass Institutionen wie das Gesundheitsamt schlicht „nicht mehr können“. Es gehe darum, „unmittelbar etwas zu bewirken, den Menschen zu schützen“.
Eine feine Schutzmacht haben wir da, die an Viren forscht, Gesundheitsämter, Hausarztpraxen und Krankenhäuser entlastet und mutig der Oma die Wasserkästen nach Hause schleppt. Das machen nämlich die Soldatinnen und Soldaten des Projekts „Bundeswehr hilft“. Sie traben für jede Bestellung einzeln in Uniform und „Bundeswehr hilft“-Binde am Arm in den Supermarkt, liefern die Ware aus und kehren für das nächste Päckchen Butter zurück. Nach der Uniform in Zügen der Deutschen Bahn folgt der Einsatz im Supermarkt. Fregattenkapitän Tillmann ist sich nicht zu blöd zu bemerken, dass die „Soldatinnen und Soldaten sich nicht unter Waffen, sondern unter Einkaufstüten befänden“.
Der bundeswehreigene YouTube-Kanal bleibt nicht das einzige Feld, auf dem die Propagandaschlacht ausgetragen wird. Online-Banner in allen großen Tageszeitungen von „FAZ“ bis „Süddeutsche“, sogenannten sozialen Medien und natürlich auch die Nachrichtenkanäle zur besten Sendezeit, in denen AKK verkündet, die Bundeswehr werde so lange helfen, wie sie eben helfen muss. Dann wird sich hoffentlich auch keiner mehr aufregen, wenn Defender 2020 im kommenden Jahr nachgeholt wird.
Und die „Protagonisten“ der YouTube-Serie? Die werden nach dem Willen der Bundeswehr „im Anschluss an die Einsatzdokumentation … zu Protagonisten für die Berufsbewerbung. So haben Interessierte bereits einen persönlichen Bezug und realitätsnahen Einblick in die Tätigkeit erhalten.“
Das Kanonenfutter muss schließlich bereit stehen, wenn es nicht mehr nur im Manöver gen Russland geht.