Ernst Thälmann, der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), wurde vor 80 Jahren, in der Nacht vom 17. zum 18. August 1944, von den deutschen Faschisten am Krematorium des Konzentrationslagers Buchenwald auf ausdrücklichen Befehl Adolf Hitlers ermordet und anschließend dort verbrannt. Dieser grausame Mord wurde vollzogen, nachdem er zuvor seit dem 3. März 1933 sein Leben in Nazihaft verbringen musste. Ohne Gerichtsurteil wurde er mehr als elf Jahre gefangengehalten und dann meuchlings ermordet!
Die Herrschenden und ihre politischen Diener wagten es nicht, ihn vor Gericht zu stellen, weil sie die Wahrheit und die Kraft fürchteten, die dabei ans Tageslicht hätten kommen können. Sie fürchteten Thälmanns große Ausstrahlungskraft und seine Qualitäten als politische Führungspersönlichkeit, die er unter anderem während der Reichspräsidentenwahl von 1932 gezeigt hatte.
Der Kampf für seine Befreiung wurde während all der Jahre mit Entschiedenheit geführt. In der Öffentlichkeit wurde eine weltumspannende, weit über die Reihen der Arbeiterklasse hinausgehende Protest- und Solidaritätsbewegung entwickelt.
Franz Dahlem, der nach Walter Ulbricht im Namen der KPD-Führung für die Verbindung zu Thälmann verantwortlich war, wies in seinen Erinnerungen darauf hin, dass auch im Verborgenen Versuche unternommen wurden, den Gefangenen gewaltsam den Händen der Faschisten zu entreißen. Es misslangen alle Versuche, die von der KPD selbst in dieser Richtung unternommen wurden. Aber auch die unter Leitung von Béla Kun im Auftrag des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale (EKKI) dafür wirkende Gruppe blieb ohne Erfolg.
Dahlem verwies auch darauf, dass es nicht verwunderlich ist, wenn angesichts der Rolle Thälmanns in der Entwicklung der KPD und der von seiner Persönlichkeit ausgehenden gewaltigen Ausstrahlungskraft immer wieder die Frage gestellt wird, ob tatsächlich alles Menschenmögliche unternommen worden ist, um sein Leben zu retten. Als Weggefährte Thälmanns und als Verantwortlicher der KPD stellte Dahlem fest, „dass wir allen Möglichkeiten, die wir während jener Jahre sahen, um unseren Teddy zu befreien, nachgegangen sind und sie auszuschöpfen versucht haben. Was heute und in der Zukunft zu tun verbleibt, ist, diese edle, starke und in unserem Jahrhundert herausragendste Führerpersönlichkeit der deutschen Arbeiterklasse fest im Bewusstsein der Menschen zu verankern und sein Vermächtnis und Ziel, wofür er gelebt, gekämpft und in den Tod gegangen ist, zu erfüllen.“
Georgi Dimitroff, der Thälmann sehr gut aus der Zusammenarbeit in Berlin und in der Kommunistischen Internationale kannte, schrieb über seinen Genossen: „Er ist Blut vom Blute und Fleisch vom Fleische der deutschen Arbeiterklasse und des gesamten internationalen Proletariats.“
Entsprechend zahlreichen Äußerungen seiner Kampfgefährten liegt hier der entscheidende Zugang zum Verständnis von Thälmanns Persönlichkeit: Er war und blieb der einfache, mit seiner Klasse durch Denkungsart und Lebensgewohnheit aufs Engste verbundene klassenbewusste Arbeiter.
Dimitroff bekräftigte das. Als er Thälmanns Lebensweg charakterisierte, brachte er prägnant zum Ausdruck: „Es ist der schwere, dornige Weg des proletarischen Revolutionärs, der durch hartnäckiges, ununterbrochenes Ringen mit sich selbst, in ständigem Kampf gegen Entbehrungen, Unbequemlichkeiten und Gefahren, unermüdlich seiner Klasse dienend, Schritt für Schritt zum Führer der deutschen Arbeiter heranwuchs, der sich der Liebe und Achtung der breiten werktätigen Massen erfreute.“
Das gab Thälmann auch die Kraft, mehr als elf Jahre Einzelhaft durchzustehen, ohne dem Leben selbst ein Ende zu bereiten, worauf seine späteren Mörder spekulierten.
Viel Kraft verlieh ihm die ständige Verbindung, die die Partei zu ihm aufbaute und durch seine Frau Rosa Thälmann, ständige Kuriere und auch durch die Anwälte kontinuierlich aufrechterhielt. Während der Jahre der Gefangenschaft erreichten ihn auch Briefe von Dimitroff und Wilhelm Pieck, die er aus Sicherheitsgründen nur dem Inhalt nach übermittelt bekam. Er war aber ständig mit dem Leben in der Partei und mit ihrem Kampf verbunden.
Das erste wesentliche Dokument in dieser Kommunikation war die schriftliche Antwort auf die gegen ihn gerichtete Anklage. Darin widerlegte er den Vorwurf, die KPD habe einen bewaffneten Umsturz vorbereitet. In diesem Zusammenhang entwickelte er den tatsächlichen Inhalt und die Grundlinie der Partei gegen den deutschen Faschismus.
Dabei setzte er jene Linie fort, die er auf der letzten ZK-Tagung in Ziegenhals bei Berlin am 7. Februar 1933 vertreten hatte. In seinem dortigen Referat, nur wenige Tage nach der Machtübertragung an den Hitlerfaschismus, charakterisierte Thälmann die neu entstandene Lage.
Erfahrung, Wissen und Umstände veranlassten ihn, vor jeglichen legalistischen Illusionen und vor den Gefahren der Überschätzung des bürgerlichen Parlamentarismus zu warnen. „Schon die ersten Tage der Hitlerregierung beweisen den ganzen tiefen Ernst der Situation. Es wäre ein Verbrechen, irgendwelche legalistischen Illusionen in unseren Reihen zu dulden. Wir müssen in der ganzen Arbeiterklasse darüber Klarheit schaffen, dass es wahrscheinlich keine andre Art der Ablösung dieser Regierung geben kann als ihren revolutionären Sturz. Das bedeutet nicht, dass der Sturz der Hitlerregierung und der Sieg der proletarischen Revolution unbedingt ein und dasselbe sein muss. Wir stellen die Frage des Kampfes für den Sturz der Hitlerregierung, die Frage der Beseitigung der Hitler-Hugenberg-Regierung als unmittelbare Aufgabe. Wir stellen sie (…) ohne dass wir unter allen Umständen zu 100 Prozent sagen können, dass, wenn uns der Sturz der faschistischen Diktatur gelingt, dies schon mit dem Sieg der proletarischen Revolution direkt verbunden ist.“
Entschieden wandte sich Thälmann gegen die Theorie des „Abwirtschaftenlassens“ der Hitlerregierung. Er forderte, die wirtschaftlichen Interessen der Werktätigen mit dem politischen Kampf gegen den Faschismus zu verbinden.
Auf Thälmanns Initiative hatte die KPD schon im Mai 1932 die Antifaschistische Aktion ins Leben gerufen.Es ging ihm schon damals um die Bündelung aller Kräfte und um die Gemeinsamkeit jener, die sich dem Kriegskurs der Reaktion entgegenstellten. Ernst Thälmann war kein Pazifist. Aber er war ein entschlossener Kämpfer gegen Militarismus, für den Frieden und gegen die Kriegsgefahr, die er vom wiedererstarkten deutschen Imperialismus ausgehen sah.
Dem entsprach auch das Auftreten der KPD in der Reichspräsidentenwahl von 1932, den sie warnend unter dem Motto führte: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler. Wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“
Ein wesentliches Kennzeichen der politischen Tätigkeit Thälmanns waren seine internationalistische Haltung und die unverbrüchliche Solidarität mit der Sowjetunion. Unermüdlich wirkte er für ein enges Kampfbündnis mit der Partei Lenins und vertrat den Standpunkt, dass Frieden, Demokratie und sozialer Fortschritt in Deutschland im Bündnis mit der Sowjetunion verwirklicht werden müssten.
Die internationalistisch geprägte Haltung Thälmanns ergab sich aus seinem Lebensweg und aus den Erfahrungen, die er seit frühester Jugend gemacht hatte. Sein Leben war, wie das der meisten seiner Generation, geprägt durch den Krieg und den Kampf gegen Kriegsgefahr und Militarismus. Den Ersten Weltkrieg bekämpfte er gemeinsam mit den Linken in der deutschen Sozialdemokratie und erlebte ihn dann als Soldat an der Westfront.
Entscheidend prägten Thälmann die revolutionären Auseinandersetzungen im Deutschland der 1920er Jahre. Sie führten ihn hin zur kommunistischen Bewegung und 1925 an die Spitze der KPD. Unter seiner Führung entwickelte sich die Partei zu einer wirksamen politischen Kraft mit 300.000 Mitgliedern und einem starken Jugendverband.
Auch in der Zeit der Weimarer Republik war der Kampf gegen die Militarisierung der Gesellschaft und der Politik eine bestimmende Leitlinie des Wirkens Thälmanns im Zentralkomitee der KPD und als Vorsitzender der Partei. Er richtete sich gegen die Wiederaufrüstung der Reichswehr und gegen den Panzerkreuzerbau.
Internationalismus, Antimilitarismus und Friedenskampf waren für Thälmann aufs Engste miteinander verbunden und ein Kennzeichen der internationalen Arbeit der Partei. „Der deutsche Imperialismus“, sagte er 1932 bei einer Kundgebung in Paris, „fordert die Gleichberechtigung, kämpft um das Recht auf gleiche Rüstung wie die Siegermächte des vergangenen Weltkrieges, strebt, die verlorenen imperialistischen Vorrechte zurückzugewinnen“. Und er schloss seine Rede mit der Aussage: „Nur gemeinsam können wir erfolgreich den Kampf gegen die Vorbereitung eines neuen imperialistischen Krieges durchführen und die Geißel des imperialistischen Krieges von den Menschen nehmen.“ Eine wichtige Erkenntnis – nicht nur für damals!