Am 20. Juni 2015 fuhr ein 28jähriger Berufskraftfahrer mit seinem Auto in der Innenstadt von Graz (Österreich) Amok. Drei Menschen kamen dabei ums Leben, 34 wurden verletzt. Kurz nach der Tat postete der Chef der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Heinz-Christian Strache, in sozialen Netzwerken im Internet: „Wahnsinnstat in Graz! Der Täter ist aus Bosnien …
Damit war das Wichtigste gesagt. Die Information stimmte zwar nicht, denn der „Bosnier“ hat einen österreichischen Pass, aber die rassistische Stimmung in der Alpenrepublik konnte so super angeheizt werden. Allerdings bekam Strache so viel Gegenwind, dass er seinen Post löschte.
Seine Partei-Kollegin, die Parlamentsabgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein, hatte tags zuvor der Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (Österreichische Volkspartei/ÖVP) geraten, Flüchtlinge künftig mit Militärmaschinen abzuschieben: „Da können sie schreien, so laut sie wollen.“
Das lässt tief blicken – und ahnen: Die Situation von Flüchtlingen, in Österreich „Asylwerber“ genannt, ist katastrophal. Das Aufnahmelager Traiskirchen platzt aus allen Nähten. Ursprünglich für die Aufnahme von 1 840 Menschen geplant, hausen dort jetzt 2 800 Flüchtlinge. „Hausen“ klingt abwertend, aber anders lassen sich die Lebensbedingungen, die den Menschen dort zugemutet werden, nicht beschreiben: Die Zimmer sind hoffnungslos überbelegt, die Ankommenden werden in Zelten und Garagen einquartiert, manche müssen mit dem Boden auf den Fluren vorlieb nehmen, andere sogar im Freien nächtigen. Und ein Ende ist nicht abzusehen, denn zwei Drittel der österreichischen Gemeinden weigern sich, Flüchtlinge aufzunehmen.
Dabei gibt es durchaus gute Erfahrungen: So hat z. B. die Gemeinde Puchenstuben im Bezirk Scheibbs in Niederösterreich bereits 2004 Flüchtlinge aufgenommen. Als einzige Gemeinde Österreichs freiwillig. Dafür konnte sie sich aussuchen, wen sie aufnehmen möchte. Und so hießen die 317 Eingeborenen Puchenstubens schließlich 40 Menschen, Familien mit Kindern, aus Tschetschenien willkommen.
Wie der sozialdemokratische Bürgermeister der Gemeinde, Christian Kogler, offen zugibt, war nicht Humanität der einzige Grund, sondern die Gemeinde verfolgte auch eigennützige Ziele. So sollte der Schulstandort und der Kindergarten im Ort erhalten bleiben. Mit Kindern aus Tschetschenien! Das ist allerhand, wo doch selbst fortschrittliche Eltern in St. Pauli oder Altona ihre Kinder in anderen Stadtteilen auf „bessere Schulen“ schicken, weil dort der Anteil an ausländischen Kindern niedriger ist…
Heute kommen zunehmend alleinstehende Männer. Die werden beschäftigt, z. B. um Wanderwege sauber zu halten, und dafür entlohnt. Es hat auch Vorbehalte, insbesondere im Hinblick auf die Steigerung der Kriminalitätsrate, gegeben. Doch laut Kogler gab es in den vergangenen 11 Jahren kein einziges strafrechtlich relevantes Delikt.
Das Beispiel Puchenstuben zeigt, dass ein harmonisches Miteinander von Eingeborenen und „Zuagreisten“ durchaus möglich ist. Sicher nicht nur in Österreich …