Ein Prozess gegen Polizisten geht in erster Instanz zu Ende. Dessen erwartbares Ergebnis: Trotz des Mutes des Staatsanwaltes, den sinnlosen Tod des Jungen aus Senegal aufzuklären und daran beteiligte Polizeibeamte vor Gericht zu stellen, ist zu befürchten, dass der Versuch, polizeiliches Versagen zu be- und verurteilen, zu kurz greift und Freisprüche und Bewährungsstrafen produziert.
Genau so kündigen es die Plädoyers für das Urteil an, das heute, am 12. Dezember, verkündet werden soll: Viermal Freispruch und einmal Bewährung. Der Richter und seine Beisitzer werden das aus eigenem Rechtsverständnis kaum korrigieren. Eine Revision des Urteils ist angesagt.
Der juristische Prozess folgt bis zum Urteil dem gesellschaftlichen Verständnis vom Schützen des Eigenen und Strafen des Anderen. Auf den Notruf wegen des Verdachts einer suizidalen Absicht des Jungen, der sich ein Küchenmesser an den Bauch hielt, rückte eine nahkampfmäßig ausgestattete Kohorte aus der Wache aus, „um den Jungen zu retten“. Übung? Vorführung? Bewährung? Alles Grübeln hilft nichts – es gibt schon für diesen Start keine Erklärung, so wenig wie für den folgenden Einsatz der Waffen, bis zum Tod ‚des Anderen‘.
Es bleiben alle strukturellen Fragen: Warum hat der Einsatzleiter den Einsatz befohlen – warum ist ihm niemand ins Wort gefallen? Warum haben zwei Polizistinnen Nahkampfinstrumente eingesetzt – warum hat keiner ihrer Kameraden „Halt“ gerufen? Warum hat ein Waffenträger geschossen – warum hat ihm niemand die Waffe aus der Hand gedreht? Ein halbes Jahr wurde recherchiert, wer im Rudel mehr und wer weniger beteiligt war. Das ist gut. Aber anzuklagen ist vor allem auch die Rudelbildung selbst und ihre gedankliche und ideologische Verfassung. Polizeipräsidenten und Justizminister tragen Verantwortung, der sie nicht gewachsen sind.
Die Anklage vollbrachte beachtliche ‚Argumentationsketten‘ bis zur Reinwaschung der in ihrem Verständnis freizusprechenden beziehungsweise auf Bewährung freizustellenden Angeklagten. So können sie alle verbeamtet bleiben. Rassisten gehören nicht in den Staatsdienst – aber die gibt es ‚bei uns‘ ja auch nicht…
Übrigens wurde das Opfer, Mouhamed Lamine Dramé, in einem Plädoyer ungestraft zum potentiellen Täter erklärt: „Man konnte ja nicht wissen, was er denkt“. Also klar, der wird ans Töten denken. So geht Rassismus.