Griechenland: KKE zum Siemens-Prozess

So funktioniert das System

Von Uwe Koopmann

Zahlreiche ehemalige Manager von Siemens müssten am zweiten Prozess­tag (Donnerstag, 15. Dezember) erneut in Athen auf der Anklagebank sitzen. In Deutschland können sie sich sicher fühlen vor den griechischen Strafverfolgungsbehörden. Also bleiben sie zu Hause. Es geht wesentlich um Bestechung. Gezahlt hat Siemens. Empfangen haben das Geld die Manager der griechischen Telefongesellschaft OTE. In der Diskussion ist eine Bestechungsumme von 70 Millionen Euro. „Gegenleistung“ war die Auftragsvergabe an Siemens: Für knapp 700 Millionen Euro sollte Siemens das OTE-Telefonnetz digitalisieren. Das stand im „Vertrag 8002“ aus dem Jahr 1997. Seit 2006 ermittelt die griechische Justiz. 2006 gab es einen außergerichtlichen Vergleich zwischen Siemens und Athen. Dabei blieb außen vor, wo die Bestechungsgelder „vergraben“ wurden. Dies zu erforschen, könnte Aufgabe der Staatsanwaltschaft im Prozess gegen die 64 Angeklagten sein, die seit dem 27. November vor Gericht stehen müssten.

Vom Prozessauftakt berichteten die bürgerlichen Medien über Nebenkriegsschauplätze: Es habe Verfahrensfehler gegeben. So fehlte ein Französisch-Dolmetscher für einen Manager, dessen Kommunikation mit griechischen Stellen zuvor nicht an einem fehlenden Dolmetscher scheiterte. Ferner seien die wichtigsten Schriftstücke für die 15 deutschen Angeklagten (zwei sind bereits verstorben) und einen Franzose nicht übersetzt. Auch sei der Gerichtssaal zu klein gewesen. Und überhaupt seien die Angeklagten laut ihren Verteidigern nicht ordentlich geladen worden.

Die KKE unternahm große Anstrengungen, damit dieser Skandal untersucht wird. Sie gab deshalb ein Gutachten in Auftrag, um die politischen und juristischen Hintergründe auszuleuchten. Fazit: Politisch verantwortlich sind alle, die aus Regierungspositionen heraus die Siemens-Verträge behandelt haben. Dabei ging es nicht nur um die Millionen-Beträge, sondern auch um politische und juristische Fallstricke, denn die Gelder wurden nicht „sauber“ überwiesen. Aktien blieben anonym. Offshore-Gesellschaften konnten nicht hinreichend kontrolliert werden. Spuren wurden verwischt. Siemens hat auf zentraler Ebene gewirkt, um der Sache ein Ende zu setzen.

Das Urteil der KKE ist konsequent: Der Siemens-Skandal ist ein charakteristisches Beispiel für das Funktionieren des kapitalistischen Systems insgesamt. Deswegen ist die Überraschung für die Korruptionsphänomene zumindest heuchlerisch. Die im Siemens-Skandal Involvierten sind die Stützen der „nationalen“ Wirtschaft: Eigentümer von Offshore-Firmen, Inhaber von Schweizer Konten, Finanzdienstleister, erfolgreiche Sponsoren, die verschiedenen „GoldenBoys“. Es folgen politische Funktionäre von den herrschenden Parteien, die durch Spenden, teure Wahlkampagnen, Vorteilsbeziehungen zu bestimmten Massenmedien und Meinungsbildern „gefördert“ wurden.

Der Hinweis auf Nutznießer unterscheidet das Gutachten der KKE von denen der anderen Parteien, denn ein Teil des Jahresumsatzes des Multis floss in die Bestechung von PASOK- und ND-Politikern. Siemens-Manager Michael Christoforakos soll einen Koffer mit zwei Millionen Euro in bar für Schmiergelder in Griechenland mitgenommen haben, laut Aussage von Reinhard Sikachek. Sikachek selber soll wiederum 1,3 Millionen Euro an Schmiergeldern ausgegeben haben.

Die KKE: Unabhängig davon, ob man konkrete Straftaten bestimmten Personen zuordnen kann, sind PASOK und ND voll verantwortlich für die gefährliche Politik zugunsten von Siemens und anderen Monopolgruppen zu Lasten der Interessen des Volkes. Auch die deutsche „Wirtschaftswoche“ macht deutlich: „Die beiden großen griechischen Parteien haben über Jahre hinweg Millionen von Siemens kassiert.“

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"So funktioniert das System", UZ vom 18. Dezember 2015



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