Nachdem die DKP 2016 ihre beobachtende Mitgliedschaft in der Europäischen Linkspartei (ELP) beendet hatte, waren die Fäden zu den Kommunistischen Parteien, die als Voll- oder beobachtende Mitglieder Teil der ELP sind, weder abgerissen noch dünner geworden. Im Gegenteil, in gleichem Maße wie zu anderen Kommunistischen Parteien Europas konnten Kontakte gehalten oder intensiviert werden.
Zwar ist erwartungsgemäß der Austausch mit ELP-Parteien des kleinbürgerlichen, sozialistischen oder grün-linken Spektrums zurückgegangen, aber dennoch ließ sich der weitere Weg der ELP – seit dem Berliner 5. Parteitag Ende 2016 mit Gregor Gysi an der Spitze – verfolgen, obwohl es die Partei trotz ihres in eigener Sache medial doch äußerst umtriebigen Vorsitzenden kaum einmal in die Presse oder gar das Fernsehen geschafft hat. Dass Gysi sich nur mäßig für die ELP interessiert, war schon bei seiner Wahl mit dem eklatant schwachen Wahlergebnis von unter 68 Prozent – ohne Gegenkandidatur – klar, doch inzwischen hat sich die eine oder andere Befürchtung bewahrheitet.
Mehrere der Erklärungen zu internationalen Vorfällen wie Putschversuchen, Friedensverhandlungen oder Kriegen zeigen, dass das die ELP dominierende Konsensprinzip die Einnahme einer grundsätzlichen Position verhindert. Fast scheint es egal, es wäre auch einmal eine falsche Position – wenn die ELP denn wenigstens überhaupt einmal so etwas wie eine Haltung einnähme, denn selbst zu Syrien oder der Ukraine sucht man vergebens eine Stellungnahme, die Aggressoren und Attackierte unterscheidet. Die völlig klassenneutrale Erklärung „Nicaragua needs Peace“ vom 4. Juli ist da ein gutes Beispiel: Sie fordert die Opposition auf, gerechtfertigte Proteste zu führen, aber sich dabei von Gewalt zu distanzieren, und kommt gleichzeitig nicht ohne eine Ermahnung an die Regierung Nicaraguas aus, Gewalt der eigenen Seite strafrechtlich zu verfolgen und Toleranz bei der Meinungspluralität zu gewährleisten.
Vielen der eher aus der Bewegungslinken kommenden Parteien innerhalb der ELP ist die Methodik solcher zu nichts führender Erklärungen recht, bei denen Opfer und Täter und links und rechts gleichgesetzt werden; andere Parteien äußern aber immer lauter ihren Missmut, mal bei den eigenen Parteitagen, mal in den ELP-Gremien selbst. Im Ergebnis verschiedener Debatten 2017 und 2018 hat es dann vor wenigen Wochen zweimal laut geknallt.
Die französische Parti de Gauche (PG – Linkspartei) des verbalradikalen Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon war Anfang 2018 mit ihrem Versuch gescheitert, das griechische ELP-Mitglied „Syriza“ ausschließen zu lassen. Kritisiert wurde hinter vorgehaltener Hand schon länger, dass die ELP sich in öffentlichen Erklärungen zwar gegen Austeritätspolitik und neoliberales Kapitalismusmanagement ausspricht, gleichzeitig aber das einzige ELP-Mitglied in Regierungsverantwortung eben diese Politik in der EU am Sorgfältigsten ausführt. Gregor Gysi führte bei seiner Argumentation gegen einen Ausschluss Syrizas ins Feld, dass erstens alles, was Syriza umsetzt, von Troika, Bundesregierung und Kreditgebern vorgegeben sei, und dass zweitens das Programm von Syriza – trotz gegenteiliger Praxis – dem sozialistischen Spektrum zugehöre. Man merke sich das und frage sich also, wie hierzulande dereinst eine sozialistische Umgestaltung aussehen soll, wenn solche, die sich programmatisch links geben, bei jedem Einwand der besitzenden Klasse verschämt zu Boden blicken und klein beigeben.
Nachdem der ELP-Vorstand Gysi und nicht dem Ausschlussantrag folgen wollte, sah die Parti de Gauche Anfang Juli die Notwendigkeit gekommen, ihren Austritt aus der ELP zu beschließen, in die sie 2010 eingetreten war. Mit 208 zu 2 Stimmen folgten die Delegierten des PG-Parteitags der Argumentation, dass „die Zeit mehr denn je eine Klärung angesichts der Austeritätspolitik der EU erfordert“ und „jegliche Anwendung dieser Politik durch eine Mitgliedspartei der ELP jede von den anderen Mitgliedsparteien eingenommene Anti-Austeritäts-Haltung diskreditiert“, während sie so aber „die extreme Rechte als den einzigen Ausweg aus dem ‚System‘ erscheinen“ lässt.
Wenige Tage zuvor hatte der Parteitag der KP Brüssel-Wallonien am 30. Juni in Brüssel mit 83 Prozent der Stimmen ebenfalls den Ausstieg aus der Europäischen Linkspartei beschlossen; wie die Parti de Gauche ein Vollmitglied, das aber von Anbeginn zur ELP gehört hatte. Die Partei, die beim Parteitag zudem ihre Rückbenennung in Kommunistische Partei Belgiens (PCB – nach 1990 war zunächst eine Teilung in die KP Walloniens und die KP Flanderns vorgenommen worden) beschlossen hat, kritisiert die erwähnte Konsensmethodik in der ELP, die sie als einen „elitären und technokratischen Diskussionsklub“ bezeichnet. Wie auch die Parti de Gauche führt die KP Belgiens die kritiklose Haltung der ELP gegenüber Syriza und Alexis Tsipras als weiteren Grund für ihren Austritt an. DKP-Mitglieder dürfte die Erfahrung der PCB-Mitglieder über den Weg ihrer Partei in die EL interessieren: „Wir erinnern daran, dass uns die Mitgliedschaft unserer Partei in der ELP im Jahr 2005 von einer Minderheit ihrer Mitglieder aufgezwungen wurde, was zu Lasten einer demokratischen Debatte ging, die zumindest zu einem Parteitagsbeschluss hätte führen müssen.“ Die ELP-orientierte Minderheit habe nicht aufgehört „unsere Bewegung zum Nachteil ihres revolutionären Wesens in Richtung Reformismus zu ziehen“.
Die wie die DKP bis dato als Beobachterpartei geführte Italienische Kommunistische Partei (PCI) hat sich schon zuvor aus der ELP zurückgezogen, während bei der KP Spaniens eine diesbezügliche Diskussion geführt wird. Dort setzt man als Alternative auf das 2017 gestartete Marseille-Forum, das den Keim für eine Art „Foro de São Paulo“ für Europas Linksparteien bilden soll.
Der Anteil linker und Kommunistischer Parteien ist zuletzt also weiter geschrumpft, aber das Knallen hatte noch keinen Widerhall. Weder hatte der Vorstand seither getagt, noch sind PG und PCB in offiziellen Dokumenten aus der Mitgliederliste gestrichen. Ohne Kommunisten kann der ELP-Vorsitzende seit 28 Jahren bekanntlich gut leben, aber der ELP dienten sie immerhin der besseren Vermarktung als „Linkspartei“. Deren Grundlage steht zur Disposition.