Willi Sitte war auch in diesem Jahr Gegenstand des von mir an der Waldorfschule Erlangen verantworteten Kunstunterrichts im 11. Schuljahr. Er und seine Zeitgenossinnen und Zeitgenossen – Werner Tübke, Lea und Hans Grundig, Heidrun Hegewald und viele mehr – der Deutschen Demokratischen Republik dürfen nicht aus der Bearbeitung im Unterricht für die Jahre nach 1945 ausgelassen werden. Darüber hinaus sind sie, besonders Sitte, gleichberechtigt neben den Malerinnen und Malern der Moderne zu betrachten. Die Auseinandersetzung mit Sittes Arbeiten, zum Beispiel mit „Massaker II“ (1959), „Hochwasserkatastrophe am Po“ (1952), „Bergung“ (1954) im Vergleich mit Pablo Picasso oder Fernand Léger tragen ebenso wie seine Biografie im Vergleich zum Beispiel mit Markus Lüpertz dazu bei, den jungen Menschen die Verschiedenheiten der Vorgehensweisen in der Malerei, unabhängig ihrer politischen Verortung, vor Augen zu führen.
Entscheidend ist dabei meines Erachtens die vorurteilsfreie Bearbeitung von Biografien und künstlerischem Schaffen. Dass Kunst immer im politischen Kontext zu sehen ist, darf selbstverständlich dabei nicht fehlen. Für die Schülerinnen und Schüler kaum nachvollziehbar war die ausgesprochen zurückhaltende Präsentation von Sittes Werk. Auch unvorstellbar ist für sie, dass in Nürnberg, also in ihrer unmittelbaren Umgebung, keine Ausstellung in jüngster Vergangenheit und auch nicht für den 100. Geburtstag stattfand beziehungsweise geplant war. Ich bin durchaus hoffnungsvoll, wenn ich feststellen darf, dass „meiner“ 11. Klasse im November 2020 auffiel, dass im März 2021auf Sittes hundertsten Geburtstag geblickt werden sollte.