Es herrscht Jubel in den regierenden Parteien, der überwiegenden Zahl der Medien und auch der DGB „begrüßt“, dass „der Sinkflug der gesetzlichen Rente gestoppt“ ist. Das ist er tatsächlich. Geplant und gewünscht hatten Bosse und Versicherungswirtschaft den weiteren Sinkflug. Der Abwehrerfolg ist den Aktionen und der Aufklärung von Gewerkschaften, Sozialverbänden, gewerkschaftlichen Seniorengruppen, kleineren Parteien und Rentenaktivistinnen und -aktivisten zu verdanken.
Erwartungsgemäß verurteilte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer das Stoppen des Sinkfluges. Angeblich werde auf die geburtenschwachen Jahrgänge unserer Kinder und Enkelkinder der Deal als milliardenschwerer Kostenbumerang zurückkommen. Es ist das uralte Demografiemärchen, mit dem uns der Interessenvertreter der herrschenden Klasse fürsorglich zu einem schlechten Gewissen verhelfen, besonders aber die Jüngeren verunsichern will. Die enorm steigende Arbeitsproduktivität aber (denken wir nur an Industrie 4.0) ermöglicht es, dass auch bei geringerer Erwerbstätigenzahl immer mehr Rentner(innen) versorgt werden können. Voraussetzung dafür sind gute Löhne, ausreichend Arbeitsplätze und Unternehmer, die die reale Hälfte einer lebensstandardsichernden Rente zahlen. Sinnvoll wäre es auch, alle Einkommensarten einzubeziehen – nicht nur die bisher Sozialversicherungspflichtigen, sondern auch Beamte, Selbstständige, Bezieher von Mieten und sonstigen Einkünften von Vermögen, zahlten je nach Leistungsfähigkeit ein und erhielten gemäß ihrem Bedarf Leistungen. Dann kann die Rente ausgebaut und das Rentenniveau wieder erhöht werden, in einem ersten Schritt auf 53 Prozent, wo es im Jahr 2000 lag.
Die vier Milliarden Euro, die das jetzt geschnürte Paket jährlich mehr kostet, sind im Verhältnis zu den jährlich 30 Milliarden Euro mehr für Rüstungsausgaben Peanuts. Im Verhältnis zur Hochkonjunktur, den sprudelnden Steuereinnahmen und den Budgetüberschüssen sind die vier Milliarden Euro im reichen Deutschland ebenfalls kein Problem. Gingen wir einen Schritt in Richtung Ausbau, also einen um nur einen Prozentpunkt erhöhten Beitragssatz, würde das Jahr für Jahr 14,65 Mrd. Euro mehr in die Rentenkasse spülen. Wie trifft das die Beschäftigten? Für wenig Verdienende mit beispielsweise 1 578 Euro wären es 4,75 Euro mehr, für besser Verdienende mit dem heute aktuellen Durchschnittsverdienst von 3 156 Euro 9,50 Euro mehr im Monat. Für den Chef ebenso. Letzteres aber wollen die Herrschenden verhindern, deswegen wurde auch von ihrer CDU/CSU/SPD-Regierung eine Beitragssatzbremse von 20 Prozent verankert. Die Riesterrente inklusive, ist sie für Beschäftigte längst überschritten.
Im Jahr 1985 betrug das Netto-Rentenniveau 57 Prozent. Es war problemlos finanzierbar und sicherte den Lebensstandard. Seit 2000 haben die Regierungen das Rentenniveau kontinuierlich auf 48 Prozent gekürzt. Diesen zu niedrigen Wert hat das aktuelle Kabinett für die nächsten sechs Jahre eingefroren – „stabilisieren“ heißt das neue „wording“, das den Tatbestand der Absenkung verschleiert. Denn die Besteuerung der Renten wird weiterhin schrittweise erhöht, wie es unter dem SPD-Kanzler Schröder im Jahr 2004 beschlossen wurde. Das führt dazu, dass 2025 das Rentenniveau bis dahin durch Steuereffekte um weitere 3,8 Prozent sinkt. Die Größe, mit der PolitikerInnen hantieren, nämlich das Nettorentenniveau vor Steuern, verschleiert diese Entwicklung.