Es war am Beginn des Jahres 1941. In Europa hatten die Hitlerhorden den halben Kontinent unterjocht. Der faschistische Achsenpartner Japan war in weite Gebiete Asiens eingefallen. Im Frühjahr 1940 hatte er auch die französische Kolonie Vietnam okkupiert. Der von den Vichy-Behörden eingesetzte Gouverneur, Admiral Decoux, überließ den Japanern Indochina mit allen französischen Luftwaffen- und Marinestützpunkten kampflos als Aufmarschbasis zur Fortsetzung ihrer Aggressionen in Südostasien. Als Gegenleistung durfte die französische Kolonialverwaltung unter der Oberhoheit Tokios formal weiter amtieren.
In dieser Situation traf Ho Chi Minh in der nordvietnamesischen Provinz Cao Bang ein und übernahm die Leitung des nationalen Befreiungskampfes. Das historische Ereignis zeugte von der unerschütterlichen Überzeugung des Führers und Gründers der Kommunistischen Partei, dass der deutsche Faschismus und japanische Militarismus scheitern werden. Am 6. Februar tagte das 8. Plenum des Zentralkomitees der Partei. Es analysierte die Lage nach der japanischen Invasion und konkretisierte die erste Etappe der vietnamesischen Revolution als national-demokratische Umwälzung und als deren unmittelbare Aufgabe die Befreiung Vietnams vom doppelten Joch des französischen und japanischen Imperialismus. Es schlug vor, zur Gewinnung der Mehrheit des Volkes eine breite nationale Einheitsfront zu bilden. Sie entstand am 19. Mai mit Vertretern der verschiedenen Volksschichten in Gestalt der Vietnam doc Lap Dong Minh hoi, der Liga für die Unabhängigkeit Vietnams, die unter dem legendären Namen Viet Minh in die Geschichte einging. Ihr schlossen sich in den nächsten drei Jahren breite Kreise der Bevölkerung – Arbeiter und Bauern, Vertreter der Intelligenz, der verschiedenen Schichten des Kleinbürgertums und der nationalen Bourgeoisie sowie der nationalen Minderheiten als auch vietnamesische Soldaten aus der französischen Kolonialarmee an. Am 22. Dezember 1944 wurde in Cao Bang eine 34 Mann zählende „Brigade bewaffneter Propaganda für die Befreiung Vietnams“ aufgestellt. „Sie soll die Keimzelle unserer künftigen Armee werden“, sagte Ho Chi Minh zu den Männern. Ihr Kommandeur wurde ein 31-jähriger Lehrer namens Vo Nguyen Giap, der spätere Verteidigungsminister der DRV. In den folgenden Monaten schlossen sich Vo Nguyen Giap Zehntausende Kämpfer an.
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Am 9. August 1945 begann die Sowjetarmee ihre gewaltige Offensive gegen Japan, in deren Verlauf die 1,2 Millionen Mann starke Kwantungarmee zerschlagen wurde. Die sowjetischen Truppen besetzten die Mandschurei, befreiten Nordkorea und schufen entscheidende Voraussetzungen für den erfolgreichen Verlauf der chinesischen Befreiungsbewegung sowie in weiteren asiatischen Ländern, darunter auch Vietnam. Die Stunde des Handelns war gekommen. Die Volksarmee befreite weite Gebiete Nordvietnams und stand 60 km vor Hanoi. Der Zusammenbruch des japanischen Militarismus war, obwohl er in Indochina noch eine 200 000 Mann starke Armee stehen hatte, nur noch eine Frage von Tagen. Am 13. August trat die Führung der Viet Minh zusammen und rief die Bevölkerung zum bewaffneten Aufstand gegen die japanischen Okkupanten und die französischen Kolonialisten auf. Die Viet Minh riefen für den 16. August einen nationalen Kongress ein, der die Macht übernahm und das Nationalkomitee der Viet Minh zur revolutionären provisorischen Regierung erklärte. Vom Cao Bang-Pass im Norden bis zum Kap Ca Mau im Süden stieß die Volksarmee in wenigen Tagen in alle Landesteile vor. Am 19. August befreite sie Hanoi. Am 23. August wehte die rote Fahne mit dem gelben Stern über der alten Kaiserstadt Hue. Kaiser Bao Dai dankte ab und übergab in der Zitatelle die Macht an die Revolutionäre Regierung. Die nationale Befreiungsrevolution hatte gesiegt. Am 2. September proklamierte Ho auf dem Ba Dinh-Platz in Hanoi vor dem ehemaligen Gouverneurspalast vor einer halben Million Einwohnern die Gründung der Demokratischen Republik Vietnam.