Wo Jobs gefährdet sind, erzielte Donald Trump bei den Arbeitern den größten Erfolg

Sieger einer Angstwahl

Von Philipp Kissel

Wenn die Börsen feiern, haben die Arbeiter und Angestellten nichts zu lachen. Nach einem kurzen Schreckmoment jubelten die Börsen über die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Auch deutsche Monopole hatten seinen Wahlkampf unterstützt, zu den drei größten deutschen Spendern zählten nach Informationen von „Lobby Control“ Deutsche Bank, Bayer und BASF. Die deutschen Industrieverbände warnen, der Freihandel dürfe nicht eingeschränkt werden und Trump seine Wahlkampfversprechen nicht umsetzen. Er hatte angekündigt, Freihandelsabkommen auf den Prüfstand zu stellen oder zu kündigen. Diese Versprechen dürften einen nicht geringen Teil seines Wahlerfolgs ausgemacht haben.

Laut dem Forschungsinstitut „fivethirtyeight (538)“ wurde besonders in Industriestädten republikanisch gewählt. In der Autostadt De­troit hat sich Trump als Arbeiterführer präsentiert und konnte punkten. Er nannte die Verlagerung eines Ford-Werks nach Mexiko eine Schande und kündigte Strafzölle für in Mexiko produzierte Autos an. Die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) hatte zur Wahl Clintons aufgerufen, dürfte damit aber nur bedingt Anklang bei den Mitgliedern gefunden haben.

Auch in anderen Industrieregionen haben die Demokraten überraschend verloren. Die Analysen von „538“ legen nahe, dass viele Wähler Angst hatten, nicht mehr genug Geld für ihr Alter zu haben und besonders in Regionen mit Branchen, die durch Automatisierung und Auslagerung ersetzbar sind, Trump gewählt wurde. Nicht dort, wo es bereits hohe Arbeitslosigkeit gibt, sondern dort wo Jobs gefährdet sind, dürften Trumps Versprechen verfangen haben. Seine Wähler dürften nicht so sehr unter der aktuellen Situation leiden, sondern vielmehr unter der schlechten Zukunftsperspektive.

Durch die Befragung von 24 500 Wählern nach Abgabe ihrer Stimme hatte der Fernsehsender CNN ermittelt, dass eher Wähler mit einem Jahreseinkommen oberhalb von 50 000 Dollar mehrheitlich Trump gewählt haben, nicht Niedrigverdiener. Rechnet man Schwarze und Hispanics, die mehrheitlich Clinton gewählt haben heraus, hatte Trump auch viele Anhänger unter den ärmeren Weißen. Allerdings sind 49 Prozent der Wahlberechtigten gar nicht wählen gegangen. Die Analysen geben also nur begrenzte Informationen über die Stimmung in der Arbeiterklasse. Dennoch ist davon auszugehen, dass die geschickte Demagogie Trumps gewirkt hat.

Die Lebensbedingungen haben sich trotz aller Erfolgsmeldungen seit der Krise von 2008 nicht verbessert. Das mittlere Einkommen lag vor 2007 höher als jetzt, das Realeinkommen der Mittelklasse stieg nach Berechnungen des Ökonomen Tyler Cowen in den letzten zwanzig Jahren nicht an. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Einkommen sehr ungleich gewachsen. Auf dem Land sind sie um 2 Prozent gesunken, in den Kernen der Metropolen stiegen sie um 7,4 Prozent. Was es an wirtschaftlicher Erholung gibt, konzentriert sich auf die küstennahen Großstadtregionen.

Millionen US-Amerikaner im besten Arbeitsalter zwischen 25 und 54 Jahren tauchen nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik auf, weil sie die Suche nach einer Arbeit aufgegeben haben, nur 63 Prozent der Erwerbsfähigen sind beschäftigt. Der Arbeitsökonom Alan Krueger geht davon aus, dass sieben Millionen arbeitsfähige Männer sich zurückgezogen haben. Die Beschäftigung von Frauen geht ebenfalls zurück. Um wirklich die Arbeitslosigkeit zu senken, müssten wesentlich mehr Jobs geschaffen werden als die 160 000 im Oktober. Dafür reicht allerdings das Wirtschaftswachstum nicht aus.

Die Versprechen des noch amtierenden Präsidenten Barack Obama haben, abgesehen vielleicht von der Reform der Krankenversicherung, keine Verbesserungen gebracht. Auch nicht für die schwarze Bevölkerung, die im Einkommensvergleich schlechter dasteht als vor Beginn der Krise. Konservative Ökonomen aus dem Umfeld Trumps fordern gegen die niedrige Produktivitätssteigerung wie üblich Deregulierungen. Die Lage für die Lohnabhängigen wird also keineswegs besser, Enttäuschung bei den Trump-Wählern aus der Arbeiterklasse ist programmiert. Genug Ansatzpunkte für demagogische Versprechen, aber auch für Gegenpropaganda, die an den Interessen und Lebensbedingungen der Bevölkerung anknüpft.

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"Sieger einer Angstwahl", UZ vom 18. November 2016



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