Karlsruhe stoppt den Berliner Mietendeckel und folgte damit dem Normenkontrollantrag von über 280 Bundestagsabgeordneten von CDU/CSU und FDP. Der Entwurf der Entscheidung stammt aus der Feder des früheren thüringischen Innenministers Peter Huber (CDU). Kaum war die Presseerklärung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVG) am 15. April ins Netz gestellt, schossen die Börsenkurse der Berliner Immobilienhaie Deutsche Wohnen, Vonovia und der Adler Group in neue Höhen. Die „Wirtschaftswoche“ beschwor den „Sieg für die Marktfreiheit“, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich auf der eilig einberufenen Pressekonferenz „erleichtert“, dass ab sofort auch im Berliner Mietrecht wieder die „Gestaltungsfreiheit“ gelte.
Jene aber, denen ihre Wohnungen nicht gehören und auf die nun Mietnachforderungen in vierstelliger Höhe zukommen, gingen auf die Straße. Vom Neuköllner Hermannplatz bis zum Oranienplatz in Kreuzberg marschierten vergangenen Donnerstag spontan 20.000 Demonstranten. Der Mietendeckel betraf rund 1,5 Millionen Mietwohnungen, die vor 2014 bezugsfertig waren und deren Mieten ab dem Stichtag 23. Februar 2020 auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren wurden. Ab 2022 sollten die Mieten der betroffenen Wohnungen wieder um bis zu 1,3 Prozent erhöht werden dürfen. Auch mit dieser Kappungsgrenze ist es nun vorbei.
Nach dem fälschlich als „Mietpreisbremse“ bezeichneten Bundesgesetz von 2015 darf die Vermieterseite ab sofort wieder in Wohngebieten, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, mit Mieterhöhungen bis zu 15 Prozent und ansonsten mit 20 Prozent zuschlagen. Diese Bremse, die keine ist, hatte sich vor sechs Jahren die SPD ausgedacht. Sie zeigt auch, was von der jetzt erhobenen Ankündigung des wahlkämpfenden SPD-Vize Kevin Kühnert zu halten ist, nach der Bundestagswahl im September werde die SPD für einen Mietenstopp sorgen.
Gerade die „Mietpreisbremse“ des Jahres 2015 nahm das BVG in seiner jüngsten Entscheidung dann auch zum Anlass, für den Berliner Mietendeckel das Totenglöcklein zu läuten. Der Bund habe damit von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend und erschöpfend Gebrauch gemacht (Artikel 72 Grundgesetz), für Gesetze auf Länderebene sei damit kein Platz mehr. Ein formalistisches Argument, mit dem sich das BVG geschickt erspart hat, inhaltliche Ausführungen zur Berechtigung des Mietendeckels machen zu müssen. Die Entscheidung des BVG liegt damit auf der gleichen Linie wie jene des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 16. Juli 2020, der die Volksentscheids-Initiative zur Einführung eines bayerischen Mietenstopps kurzerhand für unzulässig erklärt hatte. Da das Grundgesetz ein soziales Grundrecht auf Wohnen zu angemessenen Mieten nicht kennt, gibt die Karlsruher Entscheidung den Immobilienkonzernen verfassungsgerichtlich grünes Licht für neue Profite im Umgang mit dem Spekulationsobjekt „Wohnen“.