Sieg der „Institutionen“

Von Manfred Idler

Syriza hat auch diese Wahl in Griechenland gewonnen. Mehr als ein Drittel der abgegebenen Stimmen konnte die alte und neue Regierungspartei wie schon bei der Wahl am 25. Januar des Jahres auf sich ziehen. Und auch der Koalitionspartner ist der alte: Die rechtslastigen „Unabhängigen Griechen“ (ANEL) des Verschwörungstheoretikers Panos Kammenos (im Bild rechts). Blieb also alles beim Alten?

Das Wahlergebnis des 25. Januar hatte die Hoffnungen vieler Menschen in Griechenland und in der ganzen Europäischen Union beflügelt. Es schien offen, ob eine Politik im Interesse der arbeitenden Menschen, der Jugend, der kleinen Bauern und Selbstständigen, der Rentnerinnen und Rentner in diesem Europa der Konzerne auf reformistischem Weg durchsetzbar ist.

Das Imperium schlug mit einer Härte zurück, die viele Illusionen zerstörte. Sie machte deutlich, dass die bürgerliche – parlamentarische – Demokratie zwar die beste Tarnung für die Herrschaft des Kapitals ist, wenn aber das System der Integration oppositioneller Kräfte durch Parteien versagt, auf alle Camouflage verzichtet wird. Das haben die „Institutionen“ nach dem Referendum vom 5. Juli brutal deutlich gemacht, als Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds und Europäische Kommission Tsipras und seine Mannschaft auf die Knie zwangen und ihre erpresserischen Bedingungen für das dritte „Hilfspaket“ durchsetzten.

Seither ist Griechenland kein souveräner Staat mehr. Die Regierung Griechenlands hat keine Handlungsfreiheit und politische Gestaltungsmacht. Was am Sonntag gewählt wurde, ist die Verwaltung eines Mandatsgebiets der „Institutionen“, von denen jede Regierungsinitiative vor der parlamentarischen Behandlung abgesegnet werden muss. Wenn Alexis Tsipras das Wahlergebnis mit den Worten kommentierte „Wir heben die Sonne der Hoffnung über unser Griechenland“, so gehört das in die Abteilung politische Lyrik. Eine Debatte, ob er bewusst Illusionen verbreitet oder ihnen selbst erlegen ist, ist unnötig. Der Beweis kann jedenfalls nicht erbracht werden.

Der Verlust der Illusionen zeigt sich deutlich an der Wahlbeteiligung. Sie ist gegenüber dem Januar deutlich um 7,4 Prozent gesunken auf jetzt 56,6 Prozent, deutliches Zeichen für zunehmende Resignation und Apathie in der Bevölkerung nach sechs Jahren Krise. Die linke Alternative zu Syriza, die abgespaltene „Volkseinheit“ scheiterte an der 3-Prozent-Hürde. Das Abschneiden der Kommunistischen Partei zeigt, dass es dieser konsequent antikapitalistischen Kraft nicht gelungen ist, ihren Einfluss auszuweiten, auch wenn es gelang, ihre parlamentarische Position zu stabilisieren. Erschreckend ist das Ergebnis der Nazipartei „Goldene Morgenröte“, die mit 18 Sitzen wieder drittstärkste Kraft im Parlament wurde.

Den Unterschied zur Wahl im Januar machen auch die Reaktionen der Gegenseite deutlich. Füllten vor neun Monaten nach Bekanntgabe des griechischen Wahlergebnisses noch Schreckensmeldungen die Titelseiten der Leitmedien und kamen „die Märkte“ ins Schleudern, so war der News-Wert der aktuellen Wahl schon am Montag verpufft und musste den Meldungen über den Abgas-Skandal bei VW Platz machen. Rund 120 Vorgaben der Institutionen hat die griechische Regierung bis zum Jahresende umzusetzen und Jeroen Dijsselbloem, Vorsitzender der Euro-Gruppe, drohte verhalten, Griechenland „weiterhin in seinen ehrgeizigen Reformbemühungen zu begleiten“. Wenn die Herrschenden und ihre Hohepriester davon ausgehen können, dass Tsipras die befohlene Verelendungspolitik mit Privatisierungen, Sozialabbau, Steuererhöhungen und Reduzierung öffentlicher Leistungen exekutieren und höchstens um die Abpolsterung einiger Kanten und Ecken bitten wird, dann bleiben sie gelassen, wenn der Regierungschef immer noch auf die Krawatte verzichtet.

Bei den Wahlen in Spanien, voraussichtlich am 20. Dezember, wird sich erweisen, ob die Enttäuschung über das Scheitern der vermeintlichen Alternative in Griechenland auch in anderen Ländern der Europäischen Union zu Resignation führt. Denn der wirkliche Verlierer dieser Wahl ist das griechische Volk. Und mit ihm alle Kräfte in der EU, die sich dem knallharten Klassenkampf der Herrschenden entgegenstemmen.

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"Sieg der „Institutionen“", UZ vom 25. September 2015



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