Eisenbahnergewerkschaft stellt unkonventionelle Tarifforderung auf

Sieben Prozent mit Wahlrechten

Von Rainer Perschewski

Eine ungewöhnliche Schlussfolgerung zog die Tarifkommission der Eisenbahnergewerkschaft (EVG) aus der Mitgliederbefragung der Kolleginnen und Kollegen im Tarifbereich der Deutschen Bahn AG für die Tarifforderung in der Entgeltrunde 2016/2017: Sieben Prozent im Gesamtvolumen mit individueller Ausgestaltung eines Teils der Forderung. Die Wahlmöglichkeiten beziehen sich auf die Gestaltung der Arbeitszeit.

Demonstration der EVG am Bundesverkehrsministerium gegen bahnfeindliche Politik, Juli 2016.

Demonstration der EVG am Bundesverkehrsministerium gegen bahnfeindliche Politik, Juli 2016.

( EVG)

Sowohl in den bundesweit verteilten Auftaktveranstaltungen, als auch in der Mitgliederbefragung mit über 15 000 Teilnehmern bot sich der Tarifkommission in der Frage nach der Arbeitszeitverkürzung ein sehr geteiltes Bild: Ein Teil der EVG – Mitglieder wünscht mehr Geld, ein weiterer mehr Urlaub und ein letzter weniger Wochenarbeitszeit. Warum also soll man es nicht so machen? In diesem Sinne äußerte sich auch die EVG Verhandlungsführerin, Regina Rusch-Ziemba, auf einer Veranstaltung der EVG. Künftig sollen die Beschäftigten nach dem Willen der EVG selbst wählen können, ob sie diesen Teil des Tarifvertrages in Form einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden oder sechs Tage mehr Urlaub oder 2,5 Prozent mehr Lohn umsetzen wollen. Sollte sich dieses durchsetzen, wird die EVG ein kleines Stück Tarifgeschichte schreiben. Schon in der letzten Verhandlungsrunde hatte die EVG jährlich veränderbare Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Auszahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld in den Tarifvertrag eingebaut und eine sehr positive Resonanz erhalten. Einen weiteren Schwerpunkt in den Forderungen wird den weiteren Ausbau der tariflichen Altersvorsorge beinhalten.

Diesmal: Gemeinsam mehr!

Aus Fehlern wird gelernt. Nach dem letzten Tarifabschluss kritisierten viele Bereiche der EVG die Häufigkeit und Dauer der Verhandlungen. Nach gut einem Dutzend Verhandlungstagen waren es die Mitglieder leid ständig vor die Verhandlungslokale zu ziehen. Hintergrund war, dass die EVG sich mit der unterschiedlichen Laufzeit der Tarifverträge in der vorletzten Runde selbst ein Bein gestellt hatte und so die Dauer der Verhandlungen in die Länge ziehen musste. Die EVG hat diesen Fehler korrigiert und nun verhandeln fast alle Bereiche der DB AG wieder gemeinsam und mit einer einheitlichen Forderung. Nicht das Gemeinsame ruft daher diesmal Kritik hervor, sondern die einheitliche Forderung für alle. So arbeiten die Beschäftigten der DB Sicherheit derzeitig mit einer 41 Stundenwoche. Sie fordern einheitliche Regelungen für alle im DB Konzern. Das spiegelte sich auch in den Dialog-Veranstaltungen wieder. Dennoch wird die gemeinsame Laufzeit nach Meinung der EVG zu einer höheren Schlagkraft führen.

DB AG beklagt Situation

Eine höhere Schlagkraft der Gewerkschaft tut not, denn schon im Vorwege der Tarifverhandlungen betonte der DB-Vorstand erhebliche Markanteilseinbußen im Güterverkehr, die Ausschreibungsverluste im Regionalverkehr und eine besondere Situation im Wettbewerb des Fernverkehrs. DB-Personalvorstand Weber, sieht die Deutsche Bahn in einem tiefgreifenden Umbruch, weshalb auch deutlich mehr investiert werden solle – auch in Personal. Natürlich wird an die Verantwortung der „Sozialpartner“ appelliert. „Die sollen mal nicht so jammern,“ so ein Beschäftigter auf einer Veranstaltung, „viele Probleme sind hausgemacht und wer sich hinstellt und uns seit Jahren erzählt, dass er 2020 einer der TOP Arbeitgeber werden will, muss uns was von seinen Gewinnen abgeben!“

Aktionen geplant!

Bundesweit werden derzeitig die EVG Mitglieder auf die Tarifverhandlungen vorbereitet. Aktionen, detaillierte Ablaufpläne zur Information und Transparenz sollen nach den Berichten genau abgestimmt werden. Auch Warnstreiks werden nicht ausgeschlossen. Die Auftaktrunde zu den Tarifverhandlungen mit der DB AG wird am 17. Oktober dieses Jahres in Frankfurt stattfinden. „Unsere Ziele haben wir klar definiert. Für unsere Mitglieder wollen wir schnell ein gutes Ergebnis erzielen“, stellte Regina Rusch-Ziemba klar. Ob das Unternehmen dies auch wolle, werde bereits in den ersten Verhandlungsrunden deutlich. „Wir sind zu allem entschlossen“, so Rusch-Ziemba.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Sieben Prozent mit Wahlrechten", UZ vom 7. Oktober 2016



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit