„Die Schwachen kämpfen nicht. Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang. Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre. Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang. Diese sind unentbehrlich.“ Zu diesen Unentbehrlichen, von denen Bertolt Brecht spricht, gehört zweifellos der Genosse Alois Thoma aus dem oberschwäbischen Baienfurt. Über ihn ist – verfasst von dem Historiker Werner Heinz und herausgegeben von der VVN-BdA Ravensburg – jüngst eine Biographie erschienen mit dem Titel „Sie machen weite Reisen, Herr Thoma! Alois Thoma – ein politisches Leben in Oberschwaben“.
Ich habe Alois im Rahmen eines Biographie-Projekts des DKP-Bezirks Baden-Württemberg kennengelernt und mit ihm ein ausführliches Interview geführt, das längst schon hätte erscheinen sollen. Nun ist mir also der Kollege Heinz mit seinem Buch zuvorgekommen, doch das macht nichts – beide Publikationen werden einander gut ergänzen.
Alois – auch mit Mitte 90 immer noch geistig und körperlich fit, begeisterter Radfahrer und Schwimmer, vielseitig interessiert und ein überaus angenehmer Gesprächspartner – blickt auf ein ereignisreiches Leben zurück. Die Ravensburger VVN-BdA fasst es skizzenhaft wie folgt zusammen:
„1927 in Ravensburg geboren, wächst Alois Thoma im damals ‚Roten Baienfurt‘ auf. Der Vater ist Mitglied der 1920 dort gegründeten KPD. Onkel und Freunde des Vaters entwenden 1923 Gewehre der monarchistischen Bürgerwehr, warten auf den Kurier von Thälmann und das Signal zur Revolution, fliehen nach Leipzig und Berlin. 1933 und später werden Freunde der Familie in den Lagern auf dem Heuberg, in Welzheim und Dachau inhaftiert. Alois wird Modellschreiner, mit 17 zur Wehrmacht eingezogen, Richtschütze auf dem Messerschmidt-Düsenjägerflugplatz Obertraubling, kommt im Frühjahr 1945 ins amerikanische Kriegsgefangenenlager auf den Rheinwiesen und wird mit 42,5 Kilogramm Lebendgewicht entlassen.
Nach dem Krieg arbeitet er bei Escher-Wyss Ravensburg und MTU Friedrichshafen, engagiert sich in Gewerkschaft und KPD. Bei der Rückkehr aus Berlin im Jahr 1966 verhaftet ihn die Polizei auf dem Stuttgarter Flughafen mit den Worten: ‚Sie machen weite Reisen, Herr Thoma.‘ Er kommt nach Karlsruhe in Beugehaft, soll über die verbotene KPD aussagen, kandidiert für die ADF für den Bundestag, wird Mitglied der DKP. Später macht er sich selbstständig, zuerst als Vertreter, dann als Verfuger und arbeitet auch im Irak und in Auschwitz. Seit Jahrzehnten engagiert er sich für die Gedenkfeier auf dem KZ-Friedhof Birnau/Überlingen, die jedes Jahr von der VVN-BdA Ravensburg und den Gewerkschaften am Bodensee durchgeführt wird.“
Diese persönliche Lebensgeschichte schildert der Autor vor dem Hintergrund der politischen und sozialen Kämpfe auf lokaler wie regionaler Ebene – flott erzählt in einem erfreulich sachlichen Stil, der aber stets große Sympathie für seinen Helden und dessen Frau Irmgard durchscheinen lässt. Jedem, der etwas darüber erfahren möchte, wie nicht nur in den bekannten Zentren der Arbeiterbewegung – in Berlin, in Hamburg, im Ruhrgebiet –, sondern auch in der „Provinz“ ein zäher und durchaus heroischer, das obige Brecht-Zitat in jedweder Hinsicht rechtfertigender Kampf für Demokratie, Frieden und sozialen Fortschritt geführt wurde und wird, sei das mit 122 Seiten rasch zu lesende, reich bebilderte Buch dringend empfohlen.
Zum Schluss eine nette Episode, an die ich gerne zurückdenke: Nach dem oben erwähnten Interview – Irmgard hatte uns noch schnell mit Weißwürsten und Brezeln versorgt – wollte Alois mich unbedingt von Baienfurt zum Ravensburger Bahnhof begl eiten, von wo mich die Bahn retour nach Stuttgart bringen sollte. Am Bahnhofskiosk erwarb er zwei Exemplare der „jungen Welt“, von denen er – sich herzlich verabschiedend – mir eines in die Hand drückte: „Als Reiselektüre für die Rückfahrt!“ Ein kleines, aber bezeichnendes Beispiel für Solidarität unter Genossen.
Liebe Grüße nach Baienfurt – Irmgard und Alois, bleibt uns erhalten!
Werner Heinz (Autor), VVN-BdA Ravensburg (Hrsg.):
Sie machen weite Reisen, Herr Thoma!
Alois Thoma – ein politisches Leben in Oberschwaben
Verlag Druckerei Kleb, Wangen im Allgäu 2023, 122 Seiten, 14,80 Euro
Erhältlich im UZ-Shop