Polizei in Münster geht brutal gegen Aktivisten vor, der solidarisch mit Palästina ist

„Sie drohten mir, dass ich meine Unterhose ausziehen und eine Kniebeuge machen müsse“

Leon Wystrychowski

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten?“ Ramez E. (Name der Redaktion bekannt) wurde von der Polizei festgenommen, während er eine Rede auf einer Demonstration für Solidarität mit Palästina in Münster sprach. E. ist in der Gruppe Palästina Antikolonial aktiv. UZ sprach mit ihm über seine Erfahrungen mit Polizeiwillkür und -gewalt.

UZ: Am vergangenen Samstag habt ihr in Münster eine Demo organisiert. Worum ging es dabei?

Ramez E.: Wir sind eine in Münster aktive Gruppe, die Solidarität mit dem palästinensischen Volk organisiert und sich gegen die deutsche Komplizenschaft mit den Verbrechen Israels stellt. Die Demo stand unter dem Motto „Israels Terror kennt keine Grenzen – unsere Solidarität auch nicht“, und sollte die Münsteraner Bevölkerung auf den anhaltenden Genozid in Gaza und die israelischen Kriegsverbrechen im Libanon aufmerksam machen.

UZ: Als du eine Rede gehalten hast, wurdest du festgenommen.

Ramez E.: Die Polizei hatte mir zum zweiten Mal in Folge ein Redeverbot erteilt. Ich durfte auf der Versammlung nicht sprechen. Diese massive Grundrechtseinschränkung begründen sie mit einer Versammlung am 7. Oktober 2024, bei der ich Versammlungsleiter war. Damals weigerte ich mich, die polizeilichen Auflagen vorzulesen, nachdem mein Anwalt mit darauf hingewiesen hatte, dass ich dazu nicht verpflichtet sei. Daraufhin zeigte die Polizei mich an. Weitere Anzeigen erhielt ich wegen der Aussage, dass Staaten kein Existenzrecht besäßen, sondern nur Menschen, sowie wegen der Forderung nach einem freien Palästina vom Fluss bis zum Meer. Da ich das Redeverbot für ungerechtfertigt und unverhältnismäßig hielt und noch immer halte, habe ich mich dazu entschieden, trotzdem auf der Demo zu sprechen und die Einschränkung von Grundrechten in der BRD zu thematisieren.

UZ: Wie lief die Festnahme ab?

Ramez E.: Die Polizeihundertschaft stürmte in die Menge und zog mich gewaltsam raus. Ich wurde an Hals und Kiefer gepackt und in ein nahegelegenes Restaurant gezerrt, wo ich zu Boden geworfen wurde. Mein Arm wurde schmerzhaft verdreht und meine Hände gefesselt. Andere Demonstrierende wurden von der Polizei geschlagen, getreten und geschubst. Anschließend wurde ich auf die Polizeiwache gefahren, wo ein Polizist die Handfesseln nochmal enger zog, um mir Schmerzen zuzufügen, obwohl ich gesagt habe, dass das weh tut und es keinen Grund gibt, warum ich überhaupt gefesselt sein muss. In der Polizeiwache musste ich mich vor mehreren Polizisten ausziehen. Erst drohten sie mir, dass ich sogar meine Unterhose ausziehen und eine Kniebeuge machen müsse. Auf meine Nachfrage erklärten sie, dass ich keinen Widerspruch einlegen könne. Zum Glück blieb es bei der Drohung, ich musste die demütigende Prozedur nicht durchmachen. Dann wurde ich für mehr als vier Stunden in eine Zelle gesperrt.

Die Solidaritäts-Versammlung vor der Polizeiwache wurde schikaniert. Sie durften keine Lautsprecher benutzen und keinen wörtlichen oder symbolischen Bezug zu Palästina herstellen.

UZ: Wie rechtfertigt die Polizei ihr Vorgehen?

Ramez E.: Die Polizei wirft mir „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“ und „Verletzung der Integrität der Rechtsordnung“ vor und schreibt, dass mein Auftreten als Redner ein „untragbarer Umstand für das öffentliche Interesse“ darstellen würde. Das sind völlig aufgeblasene Formulierungen. Diese Darstellung reiht sich aber ein in die systematische Kriminalisierung der Palästina-Solidarität durch den deutschen Staat.

UZ: Gab es kritische Medienberichte?

Ramez E.: Leider nicht. Die Lokalpresse hat die Darstellung der Polizei eins zu eins übernommen. In einem ersten Bericht wurde als Quelle ausschließlich die Polizei herangezogen. So wurde auch die Polizeisprecherin zitiert: „Zum Glück“ sei „niemand verletzt“ worden. Dann legte die Lokalzeitung sogar noch nach und veröffentlichte einen hetzerischen Bericht über mich und die Gruppe, in der ich aktiv bin. Der Bericht dient dazu, mich vor der Münsteraner Öffentlichkeit als gefährlich und kriminell zu präsentieren. Offensichtlich soll ich eingeschüchtert werden, denn die Zeitung veröffentlichte sogar personenbezogene Daten und ein wirklich schlecht verpixeltes Foto von mir. Unsere Gruppe wird als „antisemitische Organisation“ diffamiert. Das Ziel der Zeitung ist klar: Eine Solidarisierung der Münsteraner Bevölkerung mit unserem Anliegen soll verhindert werden. Denn wer will schon als antisemitisch gelten?

UZ: Wie werdet ihr mit dem Vorfall umgehen?

Ramez E.: Zunächst einmal machen wir die Polizeigewalt und die Kriminalisierung durch Staat und Medien öffentlich. Die massive Repression gegen die Palästina-Bewegung ist kein Zufall. Aber viele Menschen in Deutschland glauben noch immer an die propagierte „Rechtsstaatlichkeit“ und „Verhältnismäßigkeit“. Unsere Aufgabe ist es deshalb auch, die Bevölkerung über die Interessen des deutschen Staates aufzuklären, über den Stand unserer Grundrechte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu sprechen und daran zu arbeiten, dass eine radikale Opposition zu diesem Staat aufgebaut wird.

Außerdem werde ich juristisch gegen das Redeverbot vorgehen, und auch eine Überprüfung der Ingewahrsamnahme vornehmen lassen.

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