Nach 40 Jahren in französischer Haft sollte Georges Ibrahim Abdallah eigentlich am 6. Dezember 2024 endlich freigelassen und in den Libanon ausgewiesen werden. Doch es kam anders: Wieder einmal intervenierte die „Antiterror-Staatsanwaltschaft“, um die Freilassung des 73-jährigen libanesischen Kommunisten und ehemaligen Kämpfers der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) zu verhindern. Der 20. Februar 2025 wurde als Tag der Entscheidung über diesen Berufungsantrag festgelegt. Doch gestern entschied das Gericht, sein Urteil auf den 19. Juni zu vertagen.
Abdallah gilt als der älteste politische Gefangene Frankreichs und als der derzeit am längsten inhaftierte Europas. Sein Name wird immer wieder in einer Reihe mit denen anderer Gefangener genannt, die in militanten antikolonialen und antiimperialistischen Bewegungen aktiv waren und in die Gefängnisse der Metropolen gesperrt wurden: So etwa dem des 70-jährigen Mumia Abu-Jamal, der wegen seines Engagements in der Black-Power-Bewegung seit 1982 in den USA eingesperrt ist. Oder des 80-jährigen Leonard Peltier, der aufgrund seiner Mitgliedschaft im American Indian Movement fast 50 Jahre in einem Hochsicherheitsgefängnis saß, bevor er am vergangenen Dienstag sein Hausarrest im Turtle-Mountain-Reservat in North Dakota antreten konnte.
Vor wenigen Tagen wurden neue Aufnahmen von Georges Abdallah in seiner Gefängniszelle veröffentlicht: Er trägt dieselbe Frisur wie vor 40 Jahre, doch sein Haar und Bart sind nicht mehr dunkelbraun, sondern grau. Der alte Kämpfer steht leicht gebeugt, doch offensichtlich ungebrochen in seiner Zelle und lächelt. Die Wände sind geschmückt mit einer großen Fahne Che Guevaras, mit Postern des palästinensischen Widerstands und der Palästina-Solidaritätsbewegung in Frankreich sowie mit Postkarten, von denen viele Blumen zeigen. Dem Kamera-Team erklärt Abdallah, „die Bourgeoisie“ werde „jede Ausrede“ nutzen, um ihn in Haft zu behalten. Doch „solange es Genossen, Männer und Frauen, gibt, die sich bewegen und kämpfen“, gebe es auch Möglichkeiten und Hoffnung auf eine „andere Zukunft“.
In den letzten Monaten hatte die Kampagne zur Unterstützung Georges Abdallahs noch einmal an Fahrt aufgenommen: Am 6. Dezember demonstrierten Menschen in zahlreichen Städten Europas für seine Freilassung. Im Februar fanden in Frankreich verschiedene Aktivitäten statt. So demonstrierten Anfang des Monats tausende Menschen in Paris, und am Campus der Universität von Toulouse fand ein Aktionstag für ihn statt. Mit dabei war auch immer das Collectif Palestine Vaincra (CPV). Die Organisation war im März 2022 auf Betreiben von Präsident Emmanuel Macron verboten worden. Das Verbot wurde im April desselben Jahres jedoch von einem Gericht ausgesetzt. Nun aber – am selben Tag, an dem die Verschleppung von Georges Abdallahs Verfahren bis in den Sommer entschieden wurde – erging ein Urteil im Fall des CPV: Die Organisation ist ab sofort verboten und wird aufgelöst. Wie zur Antwort auf das Interview von Georges Abdallah gab das CPV noch am Tag seines Verbots eine Stellungnahme heraus, in der es erklärte: „Das Collectif Palestine Vaincra wird aufgelöst“, doch: „Die Unterstützung des palästinensischen Widerstands geht weiter!“