Die Bundesregierung beabsichtigt, die Schiffssicherheitsverordnung (SchSV) für sogenannte „Kleinfahrzeuge“ (Boote ab 24 Metern Länge) zu verschärfen. Für diese Schiffe sollen laut dem Referentenentwurf des Verkehrsministeriums in Zukunft die gleichen Sicherheitsvorkehrungen gelten wie für große Frachtschiffe. Betroffen sind die zivilen Seenotrettungskreuzer der humanitären Organisationen Sea-Watch, Resqship, Mission Lifeline und Sea-Eye im Mittelmeer. Die kostenintensiven Umbauten im Sinne der geplanten Verordnung seien eine „aktive Behinderung unserer Arbeit“ und würden „letztendlich unsere Einsätze unmöglich machen“, betonte ein Sprecher der Seenotretter in der vergangenen Woche.
Seit dem Jahr 2015 sind über 25.000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken, allein 2022 kamen 2.367 Menschen ums Leben. Durch die seit einem Jahrzehnt von der Europäischen Union (EU) beschlossenen Abschottungsmaßnahmen und die von der militärähnlichen Organisation Frontex betriebene Sicherung der EU-Außengrenzen bleibt den Fluchtwilligen praktisch nur der Weg übers Meer. Zur gleichen Zeit, als der Plan aus dem Verkehrsministerium bekannt wurde, standen in der Sporthalle der italienischen Stadt Crotone über 50 Holzsärge. In der Nacht vom 25. auf den 26. Februar kenterte ein Boot mit über 100 Flüchtlingen vor der Küste Kalabriens. Wie der italienischen Presse zu entnehmen ist, vergingen von der Sichtung des Bootes durch ein Frontex-Aufklärungsflugzeug bis zur Havarie sieben Stunden. Trotz des Seegangs mit Stärke 8 und des Funkspruchs des Aufklärers, Rettungswesten seien auf dem Holzboot nicht zu erkennen, wurde keine Seenotrettung angeordnet. Die Schiffe der italienischen Küstenwacht blieben im Hafen. Unter den Toten sind Kleinkinder und ein Neugeborenes.
Auch im Hause des Verkehrsministers Volker Wissing (FDP) kennt man die Nachrichtenlage und wiegelt dennoch ab: Die neue Verordnung ziele „nicht auf die Behinderung von privater Seenotrettung im Mittelmeer ab, sondern es geht im Gegenteil darum, deren Arbeit abzusichern“. Mit der Realität der Seenotrettung auf dem Mittelmeer hat dies nichts zu tun. Es ist bis heute kein einziger Fall dokumentiert, in dem ein Rettungsschiff einen Unfall auf See verursacht hätte. Gefahren für die Besatzung existieren beim Aufnehmen der Geflüchteten, aber nicht bei deren Aufenthalt und während der Fahrt bis zum nächsten Hafen.
Außerdem sollte sich das Ministerium daran erinnern, dass der Versuch des Amtsvorgängers Andreas Scheuer (CSU), Gleiches schon einmal durchzusetzen, kläglich vor dem Verwaltungsgericht Hamburg gescheitert ist. Das Gericht entschied im Oktober 2020, dass ein Schiffssicherheitszeugnis für Seenotretter „nicht notwendig“ sei und zudem gegen Europarecht verstoße. Darüber hinaus wäre den gut dotierten Juristen im Verkehrsministerium ein Gang in die Bibliothek zu empfehlen, um im Strafgesetzbuch zu blättern. Dort fänden sie die leicht verständliche Weisheit des Paragrafen 323c des Strafgesetzbuches (StGB). Unter der passenden Überschrift „Unterlassene Hilfeleistung; Behinderung von hilfeleistenden Personen“ wird der geahndet, der bei Unglücksfällen, gemeiner Gefahr oder Not nicht eingreift.