In Thailand wird es keine parlamentarische Demokratie ohne soziale Bewegung von unten geben

Sicher ist die Unsicherheit

Von Gunter Willing

Fast fünf Jahre bereiteten Militärjunta, Big Business und Bangkoks ultraroyalistische Bürokratie die Wahlen zum thailändischen Unterhaus am 24. März 2019 vor. Per Gesetz wurden kritische Meinungen in den sozialen Medien kriminalisiert und die Versammlungsfreiheit stark eingeschränkt. Ein neues Wahlgesetz sollte kleinere Parteien bei der Zurechnung von Parlamentsmandaten stärken. Diese Maßnahme war vor allem gegen jene Parteien gerichtet, die zum Netzwerk des ehemaligen Premierministers Thaksin Shinawatra gehörten, der 2006 vom Militär aus dem Amt geputscht wurde. Seit Jahren im Exil lebend, versucht Thaksin immer noch auf die politische Entwicklung in Thailand Einfluss zu nehmen. Er weiß, dass man sich an seine Wirtschafts- und Finanzpolitik der Unterstützung der kleinen Reisbauern und der ländlichen Kommunen erinnert. Wenige Tage vor dem Wahltermin wurde einer Partei aus Thaksins Netzwerk die Teilnahme an der Wahl untersagt. Diese Partei hatte Prinzessin Ubolratana als Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin aufgestellt. Die juntafreundliche Wahlkommission sah in dieser Kandidatur eine Beschädigung des Königshauses. Als Bollwerk gegen unliebsame Überraschungen bei Wahlen installierte die Militärjunta schließlich einen Senat, dessen sorgfältig ausgesuchte Mitglieder zusammen mit den Unterhaus-Abgeordneten an der Wahl des Premierministers teilnehmen sollen. Das Wahlergebnis wurde trotzdem kein Erfolg für die Generäle und die mit ihnen verbündeten Eliten. Auch wenn die mit Thaksin ebenfalls verbundene Phue-Thai-Partei weniger Stimmen erhielt, als ihre Funktionäre erhofft hatten, wird sie doch die zahlenmäßig stärkste Fraktion bilden. Insgesamt bekam Phue-Thai zusammen mit anderen Parteien, die sich von der Politik der Militärjunta distanziert hatten, mehr Wählerstimmen als das Pro-Junta-Parteienlager. Überraschend war der Erfolg der Partei Anakot-Mai, Neue Zukunft. Sie wurde vor allem von jüngeren Thais im städtischen Bereich gewählt, welche die alteingesessenen Politiker-Clans wegen ihrer Korruption und ihrer hohlen Phrasen verachten. Das sozialökonomische Programm dieser Partei ist letztlich neoliberal. Die Forderung nach Kürzung des Militärbudgets sorgte aber für eine scharfe Gegenreaktion des Militärs. So warnte Armeechef Apirat vor den „linken Ideen“ der Anakot-Mai-Partei und drohte mit Bürgerkrieg.

Phue-Thai als Partei mit den meisten Unterhaussitzen hat bereits Anspruch auf Regierungsbildung erhoben und Gepräche mit den anderen Anti-Junta-Parteien aufgenommen. Aber General Prayuts Phalang-Pracharat-Partei hat die meisten Wählerstimmen bekommen und er leitet daraus das Recht ab, neuer Premierminister zu werden. Er startet den Machtkampf von der Pole-Position, denn er wird die Stimmen der ernannten Senatoren bekommen. Thailand wird auch in den nächsten Wochen politisch unsichere Zeiten erleben. Erst Ende Mai soll das endgültige Wahlergebnis verkündet werden. Bis dahin könnten einige Abgeordnete ihr gerade errungenes Mandat verlieren. So muss der Vorsitzende von Anakot-Mai wegen angeblicher Volksverhetzung und Computerkriminalität mit einer Anklage rechnen. Und an stillen Orten beginnt die Zeit der Kobras, wie es in Thailand heißt. Dann werden Abgeordnete gut dotiert die Fraktionen wechseln. Im Parlament allein wird sich die Krise der Demokratie in Thailand nicht lösen. Dazu bedarf es einer starken sozialen Bewegung. Die zahlreichen mutigen Proteste der letzten Monate an den Universitäten gegen die Einschränkung elementarer bürgerlicher Freiheiten sind ein Anfang.

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"Sicher ist die Unsicherheit", UZ vom 12. April 2019



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