Horst Seehofer zieht es ins Heimatministerium

Servus Bayern, Grüß Gott Berlin

Von Tom Talsky

Zugegeben, dramaturgisch war es schick inszeniert. Am Dienstag vergangener Woche war sein letzter Arbeitstag als Ministerpräsident des Freistaats Bayern. In einer allerletzten Kabinettssitzung erklärte er seinen Rücktritt zum Ende des Tages, im Plenarsaal hatte er sich schon seit Mitte Oktober nicht mehr blicken lassen. Er trat noch einmal vor die Kameras, um seinem Freistaat noch warme Worte zu hinterlassen. Es tue ihm leid. Nicht etwa wegen seiner 10 Jahre als Ministerpräsident, in der der Freistaat Vorreiter für reaktionäre Politik im ganzen Land gewesen ist, er sei mit sich „voll im Reinen.“ Ihm tue es nur leid, dass er jetzt schon gehen muss, „in Folge der Entwicklungen der Landtagsfraktion“. Diese hatte ihn im November gemeinsam mit der Jungen Union abgesägt und Markus Söder ins Amt gehievt. Nach dem Interview verließ er die Staatskanzlei mit seinem Dienstwagen Richtung Berlin, wo er am Mittwoch vergangener Woche als Bundesinnenminister vereidigt wurde.

Er ließ exklusiv über „Bild“ verkünden, wie die Bayerische Linie im Bundesinnenministerium Einzug nehmen wird. Er wolle in Zukunft „null Toleranz gegenüber Straftätern“ walten lassen. Dabei gehe es vor allem darum, „bei Straftätern und Gefährdern unter den Asylbewerbern“ härter durchzugreifen und dafür schlägt er eine Videoüberwachung in allen „Brennpunkten im Land“ vor. Er wolle einen „Masterplan für schnellere Asylverfahren und konsequentere Abschiebungen“ erarbeiten. Sinnvoll seien dafür die nach bayerischem Vorbild eingerichteten „Entscheidungszentren“. Darin „bleiben die Flüchtlinge, bis über ihren Asylantrag entschieden ist“ und werden nicht dezentral untergebracht.

Dabei stützt er sich nicht nur auf seine Freunde in der Koalition, die durch eigenmächtige Grenzkontrollen und Abschiebelager in Bayern vorgelebt haben, was Sache ist, sondern auch auf die medialen Scharfmacher des Springer-Verlags. „Bild“ hatte Ende Oktober über 22 000 Zuschriften und Leserbriefe ans Kanzleramt geschickt und jubelte nun, wie viel davon in der Neuauflage der GroKo zu finden sei: Mehr Abschiebungen, mehr Polizei sowie eine Obergrenze. Auch führe ein angeblicher oder realer Sozialleistungsbetrug zur Beendigung von Asylverfahren. „Bild“ jubelt, die AfD jubelt, Seehofer jubelt.

All diese Maßnahmen lenken vom realen Problem ab: Von 2015 auf 2016 verdoppelten sich die Ausgaben für Geflüchtete um 4 Milliarden auf 9,23 Milliarden Euro, obwohl damals schon die Zahl der Geflüchteten um 250 000 gesunken war. Der Grund: Die meist privaten Vermieter und Betreiber von Unterkünften, Traglufthallen und Containerdörfern erhöhten die Mieten drastisch und konnten sich auf langfristige Verträge berufen. Im gleichen Jahr flossen aus dem Bundeshaushalt 21,7 Milliarden Euro als Zinsen an private Kreditgeber der Bundesschulden, die Rüstungsausgaben stiegen um mehrere Milliarden Euro. Das Geld landete also eben nicht beim von der eigentlichen GroKo aus CDU/CSU, SPD, FDP und AfD auserkorenen „Sozialschmarotzer“ und der im Koalitionsvertrag angeprangerten „Armutsmigration“. Im Jahr 2016 stieg der Gewinn der 30 DAX-Konzerne auf 114,2 Milliarden Euro – das Zehnfache der Ausgaben für geflüchtete Menschen.

Seehofer wurde nach seinem Sturz im November nun nach Berlin verfrachtet und soll Innenminister, Bauminister und Heimatminister werden. Als Heimatminister sieht der Koalitionsvertrag vor allem das Ziel, „gleichwertige Lebensverhältnisse in handlungs- und leistungsfähigen Kommunen in städtischen und ländlichen Räumen, in Ost und West“ zu schaffen. Seit Jahren verarmen immer mehr Kommunen. Das Geld, das für Investitionen in Infrastruktur, Freizeitgestaltung oder kommunalen Wohnungsbau aufgewendet werden muss, wird durch Privatisierungen und Public-Private-Partnerships teuer erkauft. Der Bund dreht den Geldhahn zu, die Kommunen antworten mit Sparprogrammen und einer Politik der „Schwarzen Null“. Die Folge: Immer mehr kommunale Leistungen müssen zusammengespart werden, immer mehr Schwimmbäder, Jugendzentren oder Bibliotheken werden dichtgemacht, städtische Verwaltungen werden zusammengestrichen, städtische Krankenhäuser werden privatisiert. Der vom Koalitionsvertrag beschworene gute Zugang zu diesen Leistungen ist nahezu nirgends Realität. Kommunen sollen im Sinne der „Hilfe zur Selbsthilfe“ selbst mit Altschulden und hohen Kassenkrediten klar kommen. Der Bund übernimmt damit vollständig die Rolle einer Schuldnerberatung, die gleichzeitig den Kreditgeber darstellt. Milliardeneinsparungen im Bereich der Kommunen gehen zu Lasten von uns allen, die Mehrausgaben landen in den Taschen von Banken und Konzernen. Mit Horst Seehofer als Heimatminister hat die GroKo einen konsequenten Streiter für diese Verarmungspolitik gefunden.

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"Servus Bayern, Grüß Gott Berlin", UZ vom 23. März 2018



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