25 Jahre nach dem NATO-Angriffskrieg: Deutschlands Verteidigungsminister Pistorius bekommt in Belgrad einen roten Teppich, aber keine Gefolgschaft

Serbien beugt sich nicht

Seit bald 25 Jahren sind NATO-Truppen im Kosovo stationiert, ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Von April an soll eine Kompanie der Bundeswehr mit mehr als 150 zusätzlichen Soldaten zum Einsatz kommen. Das hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius in der vergangenen Woche bei seinem Besuch in Pristina bestätigt. Der SPD-Minister will damit auch „klare Signale nach Moskau senden“. Auch die deutsche Militärpräsenz in Bosnien-Herzegowina soll wieder aufgestockt werden. Derweil ist die Zahl der Staaten rückläufig, die dem vom Westen betriebenen Sezessionskurs folgen und Kosovo als eigenständigen Staat anerkennen, der erst infolge der NATO-Besatzung nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien im Jahr 1999 mit der formellen Abspaltung von Serbien im Februar 2008 entstanden ist. Selbst fünf EU-Mitglieder – Spanien, die Slowakei, Rumänien, Griechenland und Zypern – erkennen Kosovo nicht an, ebensowenig die fünf BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

Serbien musste sich im Juni 1999 nach 78-tägigem Dauerbombardement der NATO auf die Infrastruktur beugen. Um die komplette und dauerhafte Zerstörung des Landes zu verhindern, gab Belgrad einen Teil des Staatsgebiets, die südserbische Provinz Kosovo, westlicher Besatzung preis. Seine Würde und sein Selbstbewusstsein behauptet Belgrad auch ein Vierteljahrhundert danach gleichwohl weiter. Das musste auch Pistorius bei seinem Besuch in der serbischen Hauptstadt lernen. Der „Lieblingsminister der Deutschen“ („Tagesspiegel“) war auf rotem Teppich und mit militärischen Ehren empfangen worden, Berliner Zurechtweisungen hat man sich in Belgrad gleichwohl verbeten. Pistorius‘ Feststellung, man könne „nicht auf zwei Hochzeiten tanzen“, sprich: Belgrad müsse sich entscheiden zwischen einer perspektivischen EU-Mitgliedschaft und Zusammenarbeit mit Russland, ließ man in Serbien ins Leere laufen. Vor versammelter Presse fragte Präsident Aleksandar Vućić seinen Gast aus Berlin, auf welcher rechtlichen Grundlage die militärische Unterstützung der NATO und Deutschlands für Pristina erfolge, werde dabei doch die Tatsache ignoriert, dass Belgrad und das Gros der internationalen Staatengemeinschaft Kosovo weiterhin als integralen Bestandteil Serbiens betrachten. „Aufgrund welcher internationalen Übereinkunft werden Waffen an den Kosovo geliefert? Wo ist dieses Dokument? Wer hat es unterzeichnet?“, insistierte Vućić. Der hierzulande schon als Nachfolger von Kanzler Olaf Scholz gehypte Minister war in seiner Reaktion wenig überzeugend, sprach von einer „neutralen“ Position Deutschlands und dass man neben Pristina ja auch Waffen an Belgrad verkaufe.

Vućić betonte diplomatisch, eine „offene und aufrichtige Diskussion“ mit dem deutschen Verteidigungsminister geführt zu haben. „Wenn man sich nur mit Samthandschuhen anfasst, versteht man vielleicht auch nicht richtig, was der andere sagt.“ Pistorius sagte, es habe im Austausch „nicht an Klarheit gefehlt“.

„Wir sind uns einig, dass Stabilität und Frieden nicht nur für die Menschen im Westbalkan, sondern, würde ich sagen, für ganz Europa von entscheidender Bedeutung sind“, so der serbische Präsident. „Und dass jede Eskalation oder Instabilität in niemandes Interesse ist.“ Serbien werde niemanden mit militärischen oder anderen Schritten überraschen, sondern die regionale Stabilität wahren. „Und mein Wort bedeutet übrigens viel mehr als viele Unterschriften, die ich in der Region und in Europa gesehen habe“, fügte Vućić hinzu. – Man mag das auch als Seitenhieb auf die Minsker Vereinbarungen der Jahre 2014/2015 beziehen, die offiziell auf eine Befriedung des Ukraine-Konflikts abzielten, tatsächlich aber Kiew Zeit verschaffen sollten für die eigene Aufrüstung und Professionalisierung der Armee, wie Ex-Kanzlerin Angela Merkel und andere Beteiligte mittlerweile eingeräumt haben.

Vućić sprach auch den Ukraine-Konflikt an. Seinen Angaben zufolge hat die Mehrheit der in Serbien lebenden 50.000 ukrainischen Flüchtlinge eine positive Einstellung zu Russland und Präsident Wladimir Putin. Im Unterschied etwa zu den jüngst aus Russland Gekommenen, die die russische Regierung kritisierten.

Vućić warnte mit Blick auf die nationalistische Führung in Pristina unter Albin Kurti vor einer „vollständigen ethnischen Säuberung“ der Serben aus dem Kosovo. Das Verbot des serbischen Dinar durch Pristina sei „völlig rechtswidrig“ und gefährde die Finanzierung des Gesundheits- und Bildungssystems in den serbischen Gemeinden des Kosovo. Was Kosovo betreffe, „sind unsere Positionen völlig unterschiedlich, da Deutschland einer der Hauptakteure der Anerkennung des ‚Kosovo‘ und dieser Politik ist“, konstatierte Vućić. „Wir vertreten eine völlig andere Position und orientieren uns an der UN-Charta und der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates, die immer noch in Kraft ist … Aber wir verstehen sehr gut, dass der Dialog die einzige Lösung ist, die einen Ausweg aus der Krise bietet.“ Man habe eine „gute Kommunikation“ mit der NATO, die „professionell und sehr fair“ sei. „Diese Zusammenarbeit werden wir auch in Zukunft beibehalten.“ Der Präsident verwies darauf, dass der EU-Beitritt weiterhin das Ziel Serbiens sei. Zugleich machte Vućić deutlich, dass er sich nichts aufzwingen oder befehlen lasse, „weder aus Washington, Moskau, Berlin oder einer anderen Hauptstadt“. Das klingt wahrlich nicht danach, als ob Pistorius Serbien auch nur ansatzweise auf Distanz zu Russland hätte bringen oder in das westliche Diktat des Wirtschaftskrieges hätte zwingen können.

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"Serbien beugt sich nicht", UZ vom 16. Februar 2024



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