UZ: Seit dem Gerichtsurteil im Dezember letzten Jahres ist deiner Partei öffentliches Auftreten untersagt. Was bedeutet das für euch?
Wladimir Aleksij: Das Bezirksgericht in Kiew hat im Dezember 2015 den Beschluss gefasst über das Verbot der Tätigkeit der Kommunistischen Partei. Das ist weder durch die Verfassung noch durch andere Gesetze gedeckt. Deshalb haben wir einen Berufungsantrag gestellt. Jetzt ist September, und alle paar Wochen prüft das Gericht diesen Antrag. Es zieht sich alles hin und der Beschluss dieses Bezirksgerichts in Kiew ist noch nicht in Kraft getreten – weil ja noch die Berufung geprüft wird.
UZ: Wie geht ihr mit der Situation um?
Wladimir Aleksij: Wir haben die Bezeichnung unserer Partei nicht geändert und auch nicht die Symbolik. Wir dürfen jedoch unsere Symbolik nirgendwo zur Schau stellen. Das betrifft die Fahne mit Hammer und Sichel, und auch die rote Fahne dürfen wir nicht verwenden. Wir können nichts mehr machen. Unsere Periodika können wir nicht mehr herausgeben, an erster Stelle die Zeitung „Kommunist“.
UZ: Was passiert, wenn ihr mit einer Fahne mit Hammer und Sichel auf die Straße geht?
Wladimir Aleksij: Beim ersten Mal gibt es eine Geldstrafe, dann können auch Gerichtsverfahren folgen. Die gehen jedoch ganz anders vor: Der rechte Sektor und andere radikale Kräfte greifen sich Leute, die offen auftreten, verprügeln sie und die Miliz, die Polizei, die steht dann daneben und kümmert sich nicht.
Das betrifft nicht nur die Kommunistische Partei. Am 4. September, ich weiß nicht, ob das bis hierher gedrungen ist, gab es einen Angriff auf den Fernsehkanal „Inter“. Dieser Fernsehkanal sendet vor allem in russischer Sprache, und wurde beschuldigt, viele russische und sowjetische Filme zu zeigen. Bei diesem Angriff auf „Inter“ wurde Feuer gelegt und es sind auch Leute verletzt worden. Von den Angreifern hat die Polizei einige festgenommen. Und dann haben sie sie wieder laufen lassen.
UZ: Welche Möglichkeiten habt ihr, als Partei aktiv zu werden?
Wladimir Aleksij: Wenn wir bestimmte Aktionen machen, dann können wir das nur über andere Organisationen machen. Also was die DKP hier heute gemacht hat, offiziell aufzutreten und Erklärungen abzugeben, das können wir als Kommunistische Partei derzeit nicht. Es gibt die Kriegsveteranen, Arbeitsveteranen, Frauenorganisationen – wenn wir was machen wollen, dann über diese Organisationen.
UZ: Heißt das, dass die Partei ihre Arbeit eingestellt hat?
Wladimir Aleksij: Also wir sind nicht in den Untergrund gegangen.
Wir arbeiten unter uns Kommunisten mit den Parteiorganisationen und sehen zu, dass wir unsere Parteistrukturen erhalten, dass wir unsere Leute bei uns behalten.
Was geschehen ist, wirkt ja auf die Leute ein. Wir haben zum Beispiel 30 Prozent unserer Mitglieder verloren. Und jetzt sind es sicher noch mehr – in unserem Oblast sind es mehr. Einige Rayons – das ist die Organisationsebene darunter – sind aufgelöst, die gibt es nicht mehr.
Unsere Hauptaufgabe ist jetzt, die Leute bei uns zu halten, dass die Grundorganisationen weiter existieren.
UZ: Die Regierung und die Rechten werfen euch vor, eine separatistische Partei zu sein. Was antwortet ihr auf diese Vorwürfe?
Wladimir Aleksij: Das können die nirgendwo finden, dass wir irgendwelche separatistischen Bestrebungen unterstützen. In keinem Dokument, das wir verfasst haben.
Mehr noch, die Territorien, die jetzt nicht unter Kontrolle der Ukraine stehen – um es so zu formulieren – das sind Donezk, Lugansk, die Krim. Dort haben Leute bis 2014 die meisten Stimmen für die Kommunistische Partei der Ukraine gegeben. Wie kann man sagen, dass das Separatisten sind?
Wenn jemand die Machthaber kritisiert, dann sagt man ihm gleich, du bist ein Separatist. Wenn jetzt ein Mensch sagt, ich habe Hunger, dann ist er wohl auch ein Separatist. Wenn man jetzt von den Preisen spricht, für die Energie, für Gas, Strom usw. – wenn das jemand kritisiert, dann ist er schon kein ukrainischer Patriot mehr.
Die Machthaber haben die Ukraine gespalten, nicht wir. Sie missbrauchen das Wort Patriot. Sie benutzen es für sich.
UZ: Was sind die nächsten Schritte für eure Partei?
Wladimir Aleksij: Das erste ist, dass wir wieder legal werden. Dass diese ungesetzlichen Beschlüsse annulliert, aufgehoben werden.
Das ist der erste Schritt, um überhaupt normal legal arbeiten zu können. Wenn wir wieder legal arbeiten können, können wir auch wieder Kritik an den Machthabern legal äußern. Dann können wir die Schritte kritisieren, die sie unternommen haben, um das Leben des Volkes zu verschlechtern. Aber ohne die Möglichkeit öffentlich aufzutreten, geht das nicht.
Die normalen Leute, die wissen nichts über diesen Gerichtsprozess. Die kommen zu mir und die fragen: Warum seid ihr nicht mehr zu sehen? Versteckt ihr euch, oder was ist da los?