Großaufgebot der Polizei bei Räumung der Liebig 34

Senat unterstützt Immobilienhai

Schon seit vielen Jahren gilt Gijora Padovicz als einer der skrupellosesten Immobilienhaie in der Hauptstadt. „Bekannt“ ist sein Unternehmen vor allem, weil es Bauarbeiter miserabel bezahlt, wegen „Entmietungen“, überhöhter Mieten sowie Mehrfachvermietung von Wohnungen an Geflüchtete usw. Auflagen, die mit der Gewährung von Fördergeldern für die Sanierung zusammenhängen, werden nicht erfüllt. Padovicz gehört auch das Haus Liebigstraße 34 in Berlin-Friedrichshain. Am 9. Oktober wurde das Haus, in dem seit 1999 vor allem Frauen sowie trans- und intersexuelle Menschen lebten, mit Hilfe eines großen Polizeiaufgebotes geräumt. Die Debatte darüber und über die Rolle des Senats hält an.

Die Geschichte des Wohnprojekts in der Liebigstraße 34 begann 1990, vor allem im 1. Halbjahr, als im Ostteil Berlins etwa 130 Häuser von meist jungen Leuten besetzt wurden, darunter auch die Liebigstraße 34 im Friedrichshainer Nordkiez. Die Häuser in der nicht weit entfernten Mainzer Straße wurden bereits im November 1990 wieder geräumt, andere zwischen 1996 und 1998, die Liebigstraße 14 im Februar 2011.

Die Wohnverhältnisse in der Liebigstraße 34 wurden bald nach der Besetzung legalisiert, die Besetzerinnen und Besetzer erhielten Mietverträge. Doch im Jahr 2008 wurde das Haus, das damals einer Erbengemeinschaft gehörte, zwangsversteigert. Den Zuschlag erhielt Padovicz, der sich zuvor und insgeheim mit einigen Erben „verständigt“ haben soll. Für nur 600.000 Euro. Ein Versuch der Bewohnerinnen, das Haus zu kaufen, scheiterte. Ein 10-jährigen Pachtvertrag, der aber Ende 2018 auslief, garantierte den Bewohnerinnen zwar, dass sie zunächst bleiben konnten. Ende 2018 war Padovicz, dem allein in Friedrichshain 200 Immobilien gehören sollen, dann jedoch nicht mehr verhandlungsbereit. Der damalige Versuch des verantwortlichen Baustadtrats Florian Schmidt (Grüne), das Hausprojekt in der Liebig 34 zu erhalten, scheiterte. Am 2. Juni 2020 gab das Landgericht Moabit der Räumungsklage des Vermieters statt. Auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen unter Senator Sebastian Scheel („Die Linke“) soll zuletzt noch versucht haben, eine Lösung für eine Kommunalisierung des Hauses Liebig 34 zu erreichen. Ohne Erfolg.

Am 9. Oktober wurden dann bis zu 1.900 Beamte, auch aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei, eingesetzt, um die Räumung durchzusetzen, die anwesenden 57 Bewohnerinnen aus dem Haus zu bringen und dieses dem Eigentümer „zu übergeben“. Ein Großaufgebot zugunsten eines dubiosen Immobilienhais. Noch am Vormittag hatte das Berliner Bündnis „Mietenwahnsinn stoppen“ auf einer Pressekonferenz den Senat aufgefordert, die Räumung zu verhindern. Vertreter der Berliner MieterGemeinschaft aus Friedrichshain forderten vom Senat, keinerlei Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und einen „derart berüchtigten Eigentümer dabei“ zu „unterstützen, Mieter/innen kurz vor dem bevorstehenden Winter in die Obdachlosigkeit zu zwingen. Das ist das Mindeste, was von einem Senat gefordert werden kann, der von Parteien getragen wird, die sich links nennen und die Wohnungsproblematik vor den letzten Wahlen zu einem zentralen Thema erklärten und mit entsprechenden Slogans für sich warben.“ Zu diesem Zeitpunkt waren die Entscheidungen längst gefallen. Die Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert, hatte am Tag zuvor in einem Interview mit der „jungen Welt“ erklärt, man sei in dieser Frage „an Grenzen“ gestoßen, habe alles getan, was im Rahmen der eigenen Möglichkeiten liege. Politisch verantwortlich sei aber Innensenator Geisel (SPD). „Rote Linien“ sah sie nicht. Bis Ende der vorigen Woche gab es keine weitere Stellungnahme.

„Linke Festung in Berlin gefallen!“ So oder ähnlich lauteten am 9. und 10. Oktober Schlagzeilen in bürgerlichen Medien. Einige Journalisten konnten, zuvor offenbar gezielt geführt durch Polizeikräfte, gewünschte Bilder aus dem Inneren des gerade gestürmten und geräumten Hauses, auch aus kurz zuvor noch geschützten Privaträumen, aufnehmen. Genutzt wurde das alles wie auch die Auseinandersetzungen am Abend des 9. Oktober, in den Monaten wie Tagen zuvor, und nicht nur von der „Bild“-Zeitung, um massiv Stimmung zu machen. Stimmung gegen Links, vor allem gegen „gefährliche Linksextremisten“.

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