Kommunalwahl in der Ukraine – Präsident will mit Umfrage seine Untätigkeit verschleiern

Selenskijs schneller Absturz

Am 25. Oktober fanden in der Ukraine die Kommunalwahlen sowie die erste Runde der Bürgermeisterwahlen statt. Die Ergebnisse liegen noch nicht vollständig vor, es sind jedoch deutliche Tendenzen bereits zu erkennen.

Bei einer geringen Wahlbeteiligung von weniger als 37 Prozent – 10 Prozent weniger als vor fünf Jahren – hat es für die Partei „Diener des Volkes“ des Präsidenten Selenskij eine deutliche Niederlage gegeben. Sie verfügt seit den Parlamentswahlen 2019 über eine absolute Mehrheit in der Obersten Rada.

Bei den Kommunalwahlen liegen lokale Parteien von Bürgermeistern ganz vorne. Diese wurden gegründet, weil in größeren Städten unabhängige Kandidaten nicht mehr antreten dürfen. Die Partei „Europäische Solidarität“ des ehemaligen Präsidenten Poroschenko erzielte vor allem im Westen der Ukraine Erfolge. In ihr sind inzwischen viele faschistische Kräfte aufgegangen. Im Osten war die Partei „Oppositionsplattform – für das Leben“ erfolgreich, die sich zumindest in Worten für eine sofortige Beendigung des Kriegs gegen den Donbass ausspricht. Sie bekam in vielen östlichen Verwaltungsbezirken die Mehrheit der Stimmen, auch dort, wo es bei den Parlamentswahlen noch eine klare Mehrheit für die „Diener des Volkes“ gab. Die Partei Selenskijs hat in der ersten Runde in keiner der größeren Städte bei den Bürgermeisterwahlen gesiegt. In Kiew kommt sie nicht in die zweite Runde – dort tritt nun ein Kandidat der „Oppositionsplattform“ gegen Amtsinhaber Klitschko an.

Der Kommunistischen Partei der Ukraine war es aufgrund des „Gesetzes über die Dekommunisierung“ verboten, Parteilisten aufzustellen. Mitglieder der KPU kandidierten in einigen Gebieten als Einzelkandidaten auf den Listen der Partei „Linke Opposition“. Die Ergebnisse dieser Kandidaturen sind noch nicht bekannt. In anderen Bezirken hat die KPU zur Wahl der „Oppositionsplattform“ aufgerufen – wie der Vorsitzende Simonenko in einem Interview sagte, keine leichte Entscheidung, da es sich um eine bürgerliche Partei handelt. Dass sie den Krieg gegen den Donbass sofort beenden wolle, sei aber ein erster Schritt.

Den Krieg zu beenden, mit dieser Parole war auch Selenskij bei den Präsidentschaftswahlen 2019 angetreten, weswegen er mit deutlicher Mehrheit die Wahlen gewann. Seine Politik ist jedoch genauso nationalistisch, antirussisch und aggressiv wie die seines Vorgängers Poroschenko. Der klare Unwille, seine Wahlkampfversprechen zu erfüllen, und die immer größer werdenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme haben zum schnellen Absturz seiner Partei geführt. Ein Teil der Wähler hat sich rechtsextremen Positionen zugewandt. Andere sind nicht zur Wahl gegangen.

Schon im Vorfeld waren zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei der Wahl bekannt geworden, die Zahl der Wahlberechtigten in den Wählerlisten ist um etwa eine Million höher als die, die zuvor in der Datenbank der Wahlkommission erfasst waren. Hinzu kommt, dass die Wahlen in einigen frontnahen Wahlbezirken im ukrainisch besetzten Teil der Volksrepubliken des Donbass nicht stattgefunden haben – angeblich, weil eine ordnungsgemäße Wahl dort nicht durchführbar sei (obwohl dies bei den Parlamentswahlen 2019 offenbar kein Problem war), tatsächlich jedoch, weil dort kaum Stimmen für Selenskijs Partei zu erwarten waren.

Parallel zur Wahl wurde vor den Wahllokalen von Selenskijs Partei eine (völlig unverbindliche) Umfrage zu den „Fünf Fragen des Präsidenten“ durchgeführt. Vier der fünf Fragen erhielten eine Mehrheit: Verkleinerung des Parlaments, Zulassung von Cannabis zu medizinischen Zwecken, lebenslange Haft für Korruption in großem Ausmaß, Appell an die Garantiestaaten des Budapester Memorandums (in dem die territoriale Integrität der Ukraine durch die USA, Großbritannien und Russland im Gegenzug zu deren Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags garantiert wird). Keine Mehrheit erhielt der Vorschlag einer freien Wirtschaftszone im Donbass. Wie nicht nur die Kommunisten betonten, war dies eine reine PR-Aktion Selenskijs mit Fragen von geringer Relevanz, die Aktivität sowohl in der Frage des Krieges als auch bei der Bekämpfung der Korruption vortäuschen sollten. Brennende Fragen wie die nach der Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung, dem Ausverkauf des Landes, dem Krieg gegen den Donbass wurden nicht gestellt.

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"Selenskijs schneller Absturz", UZ vom 6. November 2020



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