Vor einigen Wochen sorgte der Wolfsburger Spieler Kevin Behrens durch homophobe Äußerungen für Schlagzeilen. Er weigerte sich, Sondertrikots des VfL, auf denen das Logo, die Rückennummer und der Spielername in Regenbogenfarben dargestellt waren, zu signieren, und polterte: „So eine schwule Scheiße unterschreibe ich nicht.“ Es folgte (zu Recht) das übliche Prozedere: Behrens bekam eine klare Ansage, musste sich entschuldigen, wurde vom Verein sanktioniert und unterschrieb schließlich auch die Trikots. Obendrein durfte er dann beim Gastspiel auf St. Pauli ein kleines Spießrutenlaufen über sich ergehen lassen, denn das Publikum am Millerntor war erwartungsgemäß not amused. Es gab eine Menge Transpis und noch mehr Pfiffe gegen den Delinquenten.
So weit, so traurig. Zumal diese Geschichte auch mich ein bisschen in den Strudel zieht, hatte ich hier doch vor Jahresfrist meine Freude kundgetan, dass Behrens, seinerzeit noch Unioner, in die Nationalelf berufen worden war, und ein Weilchen später mein Bedauern über seinen Wechsel nach Wolfsburg gestanden. Peinliche Sache.
„Er musste dies heute nach seinem Fehler über sich ergehen lassen“, kommentierte VfL-Sportdirektor Schindzielorz das Hamburger Pfeifkonzert, „ich finde, das sollte dann jetzt auch mal gut sein.“ Tatsächlich hofft man ja, dass Behrens (und gleichgesinnte Spieler), sobald sich die Aufregung wieder gelegt hat, aus dieser langfristig was mitnehmen, nämlich einen Impuls für einen Gesinnungswandel.
Aber es war dann nicht „mal gut“: Tags darauf forderte St. Paulis Präsi Oke Göttlich, dass Behrens wegen seiner diskriminierenden Äußerung vom DFB sanktioniert werden müsse. Da schrillten bei mir allerdings die Alarmglocken. Man muss bedenken, dass der Spieler seine Ansichten nicht in die Öffentlichkeit posaunte, sondern am Arbeitsplatz tätigte, ehe sie dann durch „Sport Bild“ publik gemacht wurden (was der Sache nicht inhaltlich, aber formal ein gewisses Geschmäckle verleiht). Und es fragt sich vor allem, was man denn nun überhaupt vertreten darf und was nicht.
Kein Zweifel, abschätzige Statements über sexuelle Orientierungen, die nicht der eigenen entsprechen, sind nicht zu tolerieren. Doch es fällt auf, dass längst nicht alles, was sittlich empörend oder politisch reaktionär ist, skandalisiert wird. Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass man sogar nach Herzenslust diskriminieren und hetzen kann, wenn man nur „auf Linie“ des einheimischen Imperialismus ist. Homophobe Sprüche: sind nicht okay. Werbung für den Krieg (Stichwort: BVB und Rheinmetall): ist okay. Kritik an der Aufrüstung: ist nicht okay. (Alle Wege der Friedensbewegung führen nach Moskau.) Die fristlose Kündigung eines Spielers wegen eines unliebsamen Posts zum Nahost-Konflikt (Stichwort: El Ghazi von Mainz 05): ist okay. Der Sprechchor „Wir hassen Ostdeutschland“ (den das Kölner Publikum im März beim Spiel gegen Leipzig skandierte): ist auch okay. Und so weiter, und so fort.
Oke Göttlich hatte sich damit gebrüstet, dass man als FCSP „auch mal die etwas unangenehmen Themen ansprechen und (…) den Finger in die Wunde legen“ würde. Ich habe den Eindruck, dass das ziemlich selektiv passiert, wodurch es wohlfeil erscheint. Und die Forderung nach öffentlicher Bestrafung nicht-öffentlicher Äußerungen – das ist, mit Verlaub, ein kleiner Beitrag zur Demontage der Demokratie.