Ein 17-Jähriger lässt sich in eine andere Stadt fahren, in der Proteste gegen rassistische Polizeigewalt stattfinden, nimmt ein halbautomatisches Gewehr mit, um gegen „Plünderer“ vorzugehen, erschießt zwei Menschen und verletzt einen Dritten schwer. Klarer Fall von Selbstjustiz oder des Auslebens von White-Supremacy-Allmachtsphantasien? Könnte man meinen. Die US-Justiz nennt das, was Kyle Rittenhouse getan hat, allerdings „Selbstverteidigung“ und spricht ihn von der Anklage des Mordes, des Totschlags, des versuchten Mordes und der Gefährdung anderer frei.
Nach den tödlichen Schüssen aus der AR-15 ließ die Polizei Rittenhouse unbehelligt abziehen, der zuständige Richter untersagte, dass während des Prozesses die Opfer als „Opfer“ oder „mutmaßliche Opfer“ bezeichnet werden dürfen – schließlich hatte einer von ihnen eine Pistole dabei, ein anderer habe Rittenhouse mit einem Skateboard geschlagen. Die Verbindung Rittenhouses zu den faschistischen „Proud Boys“ durfte im Prozess nicht erwähnt werden, der Richter hielt sie für „nicht beweiserheblich“. In Deutschland würde man ihn einen Einzeltäter nennen.