Mitte Mai wurde bekannt, dass Sigmar Gabriel in den Verwaltungsrat der neugeschaffenen Firma Siemens-Alstom einziehen soll. In diesem Unternehmen haben im September 2017 die Hersteller von ICE und TGV ihre Zug-Sparten zusammengeschlossen. Siemens hält die Aktienmehrheit und hat damit das Sagen. Angeblich will der deutsch-französische Konzern insbesondere vor der „starken Konkurrenz“ aus China bestehen. Das staatliche chinesische Unternehmen CRRC, das früher auch Technologien wie den Transrapid von Siemens eingekauft hat, geht nun selbst auf Expansionskurs und etabliert sich in Ländern, die bisher fest in der Hand des Bahnkartells waren. Außer der CRRC, die eher als Außenseiter im Bahnkartell gilt, gibt es auf der Welt nämlich nur noch neun Konzerne, die den Bereich Bahntechnik inklusive Signalanlagen abdecken und die Märkte unter sich aufgeteilt haben. Der Hersteller aus der VR China ist aber inzwischen etwa doppelt so groß wie das neue kombinierte Unternehmen Siemens-Alstom, das auf gut 15 Milliarden Euro Umsatz und weltweit rund 62 300 Beschäftigte kommt.
Doch bei aller Konkurrenz ist Siemens auch mit der CRRC verbunden. Da gibt es das Riesenprojekt in Russland, in dem die beiden mit der russischen Sinara zusammen an einem Projekt für Güterzüge arbeiten, die in Zukunft mit 400 km/h von Moskau bis China fahren sollen. Dafür sollen 16,9 Milliarden US-Dollar fließen. Und Siemens ist wegen der Sanktionen gegen Russland ständig im Druck, aus solchen Projekten herausgedrängt zu werden. Zuletzt bezeichnete der russische Vize-Premier Arkadi Dworkowitsch Siemens als „unzuverlässig“. Siemens war in Russland vor Gericht gezogen, nachdem vier Gasturbinen „versehentlich“ auf der Krim gelandet und somit die Sanktionen unterlaufen wordenwaren.
In diesem Umfeld wird nun der ehemalige Wirtschaftsminister der BRD von Siemens-Kaeser in eine anspruchsvolle Position berufen. Gabriel hatte sich für Siemens bereits bei den Übernahmeverhandlungen mit Alstom 2014 qualifiziert. Da ging es um den Kraftwerksbereich von Alstom und damals unterlag Siemens noch dem Erzrivalen aus den USA, General Electric. Aber immerhin: Gabriel hatte sich rückhaltlos für die Interessen des Münchner Oligarchen-Trusts eingesetzt.
Und Gabriel gilt als Experte, wenn es um die Umgehung von Sanktionen oder anderen Beschränkungen für deutsche Konzerne geht: Als Wirtschaftsminister hatte er 2014 auch schon den umstrittenen Verkauf des Ölfördertechnik-Spezialisten DEA – trotz Sanktionsgeschreis – von RWE an einen russischen Konzern durchgewunken. Nur mit einem Sigmar Gabriel schafft man es, sich öffentlich von Waffenexporten zu distanzieren, gleichzeitig den Betriebsratsfürsten in der Rüstungsindustrie die Sicherung ihrer Arbeitsplätze zu versprechen und praktisch und faktisch Waffenexporte in Rekordhöhe zu genehmigen.
Und Gabriel, als rechter Sozialdemokrat verbunden mit dem Seeheimer Kreis, ist weiterhin eng mit Gerhard Schröder liiert, der scheinbar zum Russenfreund mutierte, in Wirklichkeit für Monopolprofit der deutschen Energiekonzerne unterwegs ist (d. h. in erster Linie für E.on und ganz zufällig wieder für die unvermeidliche RWE) und natürlich für die eigne Aufstockung durch Rosneft.
Gabriel hat seine Politik gegenüber Russland in einer Gastvorlesung an der Bonner Universität formuliert unter Rückgriff auf das Konzept aus dem Kalten Krieg: Stärke und Verlässlichkeit hätten zum Erfolg geführt. Der Erfolg? Das war die Konterrevolution in der Sowjetunion. Ziel der gegenwärtigen Politik ist es, die für den Imperialismus gefährliche Allianz zwischen Russland und China zu sprengen. Dazu muss Deutschland einen Fuß in Russland behalten nach dem Rezept: Die Burg von Innen sturmreif machen. Dazu soll Gabriel dienen.
Gabriel ist Seitenwechsler. Auch im Sinn des Wechsels von Funktionen im Staatsapparat in Funktionen in der Wirtschaft, was selbst bei nur bürgerlich-demokratischem Anstand den fauligen Geschmack von Korruption an sich hat. Aber es gibt noch den anderen Sinn: Als SAJ-Falke noch links, von Arbeitern nach Oben gewählt, hat er sich schließlich auf die Seite des Großkapitals geschlagen. Als Ministerpräsident von Niedersachsen galt er schon als Knecht von Piech und Porsche, den Volkswagen-Eignern. Das hat er durch alle Betrugsaffären des Konzerns und der Kfz-Branche durchgehalten. Und jetzt wird er auch noch von Siemens belohnt.