Bernd Osterloh, bis vor wenigen Tagen Vorsitzender des Konzernbetriebsrats bei Volkswagen, hat die Seiten gewechselt. Seit dem 1. Mai ist er Personalvorstand bei Traton und damit zuständig für den geplanten Personalabbau in der LKW-Sparte von VW. Für die Belegschaft und die Öffentlichkeit kam der Wechsel überraschend. Osterloh selbst begründete seinen Wechsel gegenüber den Kolleginnen und Kollegen bei VW mit den Worten: „Traton spielt eine Schlüsselrolle in der Strategie des Volkswagen-Konzerns für die kommenden Jahre. Ich will noch einmal unternehmerisch gestalten und in den nächsten Jahren mit meiner Arbeit dazu beitragen, dass die Lkw-Sparte ihren Weg zu einem ‚Global Champion‘ in der Nutzfahrzeugbranche erfolgreich meistert.“
Osterloh gehörte zur Gruppe derjenigen Betriebsratsmitglieder, die sich als Ko-Manager verstehen. Für „seine“ Stammbelegschaft hat er dabei immer etwas herausgeholt – ohne den VW-Aktionären etwas wegzunehmen. Er machte seine Arbeit ganz ohne Klassenkampf, sei „kein Ideologe“ wie die FAZ über ihn schrieb. Den Vorwurf, er sei ein Verräter, weist Osterloh weit von sich.
Dass er von einem Tag zum anderen vollständig die Seiten wechselt und zum Schreihals gegen die Arbeiterklasse wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber die ihm zugewiesene Aufgabe dürfte sein, dass er die bevorstehenden Klassenkämpfe, die auch vor VW nicht haltmachen werden, befrieden soll.
Kann es sein, dass Konzern-Chef Diess ihn auf seinen neuen Posten gehievt hat, um die Wut der Beschäftigten in Steyr durch einen Kompromiss zu besänftigen? Kann es sein, dass er die Kolleginnen und Kollegen in Österreich dazu zu bewegen soll, auf Teile ihres Gehalts und auf andere Errungenschaften zu verzichten, damit sich die Kosten für ihre Arbeitskraft an das annähern, was in Polen üblich ist? Kann es sein, dass es seine Aufgabe ist, dazu beizutragen, dass auch Deutschland noch stärker zum Niedriglohnland wird?
Doch was wird dann aus den polnischen Kolleginnen und Kollegen? Was wird aus denen, die bei Navistar arbeiten, dem Unternehmen, das Traton unbedingt übernehmen will? Wenn Standortlogiker Osterloh wirklich angetreten ist, um Traton zum „Global Champion“ zu machen, dann hat er tatsächlich die Seiten gewechselt.