Im September 2014 brach – organisiert von der Band „Banda Bassotti“ – das erste Mal die „Antifaschistische Karawane“ aus Italien in den Donbass auf. Ihr Ziel war es, der Bevölkerung in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk mit Medikamenten, Hilfsgütern und Spielzeug zu helfen, vor allem aber, dem Westen zu zeigen, was im Donbass wirklich passiert. Seitdem bringen sie regelmäßig Solidarität in den Donbass und Informationen über den unerbittlichen Krieg der Ukraine gegen die Volksrepubliken in die Welt. Vom 27. März bis zum 6. April ist erneut eine kleine Delegation der Antifaschistischen Karawane in den Donbass gereist.
Unsere Tage im Donbass vergingen schnell. So intensiv wie immer, praktisch ohne Pause. Gesichter, Geschichten, Bilder. Die hundert Begegnungen, die wir jetzt hatten, kommen hinzu zu den Tausenden von Begegnungen bei früheren Besuchen.
Nach einigen Tagen haben wir es geschafft, nach Gorlowka zu gelangen. Wir kennen diese kleine Stadt, die seit acht Jahren von ukrainischen Bomben heimgesucht wird. In den engen Gassen dieses Städtchens befindet sich der Kindergarten „Das Glöckchen“. Wenn wir in den Donbass kommen, ist diese Bildungseinrichtung eine unserer regelmäßigen Stationen. Wir kommen immer hierher, um Hilfe und ein wenig finanzielle Unterstützung zu bringen.
Als wir ankommen, begrüßt uns die Direktorin Irina wie immer wie Verwandte, die sie schon lange nicht mehr gesehen hat. Sie umarmt uns, hält uns fest, spricht mit uns auf Russisch und umarmt uns dann wieder. Sie ist fantastisch, sie spricht mit uns Russisch, als ob wir von hier wären. Wahrscheinlich sind wir das für sie wirklich. Wir können ihr diesmal 3.245 Euro an Spenden übergeben. Einen Teil des Geldes haben die Familie und Freunde unseres kürzlich unerwartet gestorbenen Genossen Mauro „Primetto“ gesammelt. Er hat zum letzten Mal seinen Teil beitragen können.
Die Kinder sind während unseres Besuches nicht da, die Bildungseinrichtung ist geschlossen worden. Es ist zu gefährlich, sie alle zusammen so nah an der Front zu lassen. Während wir im Garten der Einrichtung sind, ertönt ununterbrochen Kanonendonner. Wir schauen uns an und sagen: „Der Himmel ist klar, aber ich glaube, das Wetter ändert sich. Es donnert. Vielleicht kommt der Regen.“
Wir nutzen die Zeit in Gorlowka, um den beiden ermordeten Lehrerinnen, Elena Pawlowna Kudrik und Elena Wiktorowna Iwanowa, zwei rote Rosen bringen. Sie wurden von einem Schrapnell einer ukrainischen Bombe getroffen, während sie in der Mboy50-Schule in Gorlowka arbeiteten.
Verletzte Kinder
Wir besuchten auch die Kinderstation des Krankenhauses von Donezk. Es war nicht leicht, Kinder zu besuchen, die von Granatsplittern und Kugeln getroffen wurden. Vor allem, wenn man selbst kleine Kinder hat, die zu Hause auf einen warten. So vielen verletzten Kindern zu begegnen und ihre Geschichten zu hören ist ein echter Schlag in die Magengrube. Die Kinder kommen aus Mariupol, Donezk und anderen Städten und Dörfern entlang der Kampflinie. Der Arzt der Station erzählte uns stolz, dass er keinen Pass verlangt, um Kinder zu behandeln, und dass er seit acht Jahren ununterbrochen arbeitet. Er möchte keines dieser Kinder verlieren.
Die kleine Mascha und ihr Vater erzählen uns auf der Station ihre Geschichte. Sie hat einen bandagierten Arm und einen traurigen Gesichtsausdruck. Ihr Haus stürzte ein, von einer Bombe getroffen, die kleine Mascha ist verletzt, ihre Mutter und zwei Großeltern sind tot. Eine weitere Großmutter wird vermisst und ist sicher unter den Trümmern begraben. In einem Augenblick sind von Maschas Welt nur noch ihr Vater und sie übrig. Der Rest ihres Universums ist unter den Bomben verschwunden. Verloren sind alle Dokumente, alle Besitztümer und alle Dinge. Alles, was sie noch hat, ist ihr Vater und die Kleidung, die sie am Leib trägt. Es gelang ihnen, Mariupol über den humanitären Korridor zu verlassen. Sie erreichten das Krankenhaus in Donezk, wo Mascha behandelt wurde. Nun wird Russland ihre Betreuung übernehmen und in ein paar Tagen wird sie mit ihrem Vater nach Moskau reisen, wo ihr Arm besser behandelt werden kann.
Und so folgt Raum über Raum mit verwirrten Kleinen. Getroffen von Granatsplittern und Kugeln. Dem Terror entkommen. Ihre Mütter sind bei ihnen, das Krankenhaus erlaubt ihnen, neben ihren Babys zu schlafen. Wir gehen von einem Zimmer zum anderen, während der Arzt von den Wunden erzählt und jemand übersetzt. Aber nicht alles, was wir sehen, muss übersetzt werden. Augen zu besitzen reicht.
Gefallen im antifaschistischen Kampf
Während unserer Tage im Donbass erhielten wir zwei sehr schlechte Nachrichten:
Ein Italiener, ein Genosse, ein Internationalist, der seit Jahren hier war, ist im Kampf gefallen. Edy „Bozambo“ Ongaro. Er warf sich auf eine Handgranate, um seine Kameraden zu schützen. Er starb im Kampf gegen den Faschismus in einem Schützengraben.
Ein paar Stunden später die zweite schlimme Nachricht. Der Sohn eines uns sehr nahestehenden Menschen war im Kampf gefallen. In der gleichen Stadt wie Edy. Sein Name ist Sergei und er war 23 Jahre alt. Wir besuchten seine Mutter, die seit Jahren mit uns befreundet ist, und teilten einen Teil des Schmerzes mit ihr. Sie ließ uns in ihr Haus und das Erste, was sie uns sagte, war, dass sie keine Tränen mehr habe. Der Faschismus wird hier mit Waffen bekämpft und unglücklicherweise kann man dabei auch sterben.
Diejenigen, die behaupten, dass es in der Ukraine keine Nazis gibt, sind leicht der Lüge zu überführen. Wir besuchten den zurückeroberten Stützpunkt des Asow-Bataillons in Wolnowacha. Es ist einer von vielen. Nazifahnen und Nazisymbole überall. Der Besitzer des Hauses, in dem Asow ihren Stützpunkt eingerichtet hatten, war getötet worden, weil er sich gegen die Besatzung gewehrt hatte.
Geflohen aus Mariupol
Wir haben uns die direkten Zeugnisse der Misshandlungen und Folterungen anzuhören, die die Bewohner des Teils des Donbass erlitten haben, der acht Jahre lang von ukrainischen Truppen besetzt war. Der Teil des Donbass, der gemäß den Vereinbarungen von Minsk und Minsk-2 auf ukrainischem Gebiet verblieben ist.
Das Dorf Wolodarskoje beherbergt Hunderte von Zivilisten, die es geschafft haben, aus Mariupol zu entkommen. Es ist nicht einfach, aus den Häusern in den humanitären Korridor zu gelangen. Die Zivilisten, die wir außerhalb des Aufnahmezentrums interviewt haben, erzählen uns, was sie in Mariupol durchgemacht haben. Sergei und sein Begleiter berichten zum Beispiel, dass sie den von den Russen organisierten humanitären Korridor erreicht hatten und dort Lebensmittel für die Reise vorfanden. Sie wurden jedoch von Soldaten des Asow-Bataillons aufgehalten. Sie wurden gezwungen, aus dem Auto auszusteigen. Sie stahlen ihr Auto mit den wenigen Sachen, die sie hatten. Diese Exilanten zeigten uns Bilder von ihrem Haus. Die obersten Stockwerke wurden zerstört. Ukrainische Soldaten kamen und gingen auf den Balkon des Gebäudes. Von dort aus schossen sie auf die russischen Soldaten, die unter ihrem Haus vorbeikamen. Sie schossen von ihrem Balkon aus, während das gesamte Gebäude voller dort lebender Zivilisten war. Alle Personen, mit denen wir gesprochen haben, erzählten uns ähnliche Geschichten. Eine junge Frau erzählte, dass sie drei Tage lang neben ihrem Mann blieb, der an beiden Beinen verwundet worden war. Sie bat die ukrainische Armee um Hilfe, wurde aber abgewiesen. Nach drei Tagen konnte ihr ein Arzt helfen, aber ihr Mann verlor beide Beine. Sie, ihre Tochter und ihr verletzter Mann konnten den humanitären Korridor erreichen und wurden aus Mariupol herausgebracht.
Kampf der Russophobie
Während unserer Reise haben wir sowohl in Lugansk als auch in Donezk Pressekonferenzen gegeben. Die Journalisten stellten uns unter anderem die Frage, was wir von der Russophobie halten, die Europa überfällt. Wir haben geantwortet, dass auch in diesem Fall die westliche Version mächtig ist, aber früher oder später ihren eigenen Lügen zum Opfer fallen wird. Denn die Italiener erinnern sich an das russische medizinische Personal und die Ärzte, die uns bei Ausbruch der Pandemie zu Hilfe kamen. Die russischen Ärzte wurden als Helden begrüßt. Und jetzt wollen sie uns die Russen als Kriminelle verkaufen. Die Menschen sind nicht dumm und diese Version wird sich nicht lange halten. Dazu muss jeder von uns uns seinen Beitrag leisten, es reicht nicht, am Rande zu stehen. Es gibt noch viel zu tun, um den Menschen im Donbass zu helfen. Solidarität ist eine Waffe, die eingesetzt werden muss. Jetzt schien es uns wichtiger denn je, zu kommen und uns dieser „vorherrschenden Russophobie“ in jeder Hinsicht entgegenzustellen.
Der Krieg, der vor acht Jahren begann, hat in den Gesichtern der Einwohner des Donbass die Sehnsucht nach Frieden und den Wunsch, ihre Geschichten zu erzählen, hinterlassen.
Viele Dinge sind mir aus den letzten Tagen im Gedächtnis geblieben. Zuletzt war der russische Zollbeamte, der uns anhielt und befragte, als wir den Donbass verließen. Er wollte verstehen, warum wir im Donbass gewesen sind. Was wollten wir dort, wir Kinder einer dieser Nationen, die den Hass auf Russland zur Religion erhoben haben?
Als er verstanden hatte, was der Grund für unseren Besuch war, schüttelte er uns die Hand und dankte uns. Er entschuldigte sich bei uns für die Zeit, die er uns gestohlen habe, und sagte: „Nochmals vielen Dank für das, was Sie tun, und Entschuldigung, es sind schwierige Zeiten“.
Übersetzt und bearbeitet von Melina Deymann