Der Unmut über Bundesinnenminister Seehofer wächst. Als dieser in der vorigen Woche in Berlin auf einer Pressekonferenz endlich seinen „Masterplan Migration“ vorstellte, düpierte er die SPD, aber auch Kanzlerin Merkel. Die von der SPD geforderten und in der GroKo abgestimmten Vereinbarungen wurden nicht in den Plan aufgenommen. Nach wie vor ist dort von „Transitzentren“ die Rede. Seehofer erklärte auf Nachfragen von Medienvertretern nur: Das sei nicht der Masterplan der Koalition, sondern des Bundesinnenministeriums. Der Plan sei in seiner Verantwortung entstanden.
Bereits in der Einleitung des „Masterplans“ wird eine „nationale Bedrohungslage“ konstruiert, obgleich die Ankunftszahlen in Deutschland weiter sinken. Damit wird schon deutlich, in welche Richtung die dann aufgezählten Vorhaben, zu denen auch ein „neues Grenzregime“ und die Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei gehören, gehen: Flüchtlingsabwehr statt Hilfe, mehr Abschiebungen statt Integration.
Kern des Masterplans bleiben die bereits beschlossenen AnkER-Zentren. Darin soll wohl jetzt die Mehrheit derer, die hier Schutz suchen, wenn die Betroffenen überhaupt hierher gelangen, „kaserniert“ werden und nur noch Sachleistungen erhalten. Betroffen sind offenbar nicht nur jene, die eine „geringe Bleibeperspektive“ haben, sondern ein weitaus größerer Kreis. Bis zu 18 Monaten müssten sie im AnkER-Zentrum verbleiben. Hilfsorganisationen befürchten auch, dass es damit für die Betroffenen zudem schwieriger werden wird, ihr Recht einzuklagen. Eine „Qualitätssicherung“, wie nach den Vorkommnissen im BAMF vorgesehen, soll es wohl nicht geben. Zudem soll, wie Pro Asyl kritisiert, die staatliche Zwangsberatung zur „freiwilligen“ Rückkehr festgeschrieben und bundesweit vereinheitlicht werden.
Möglichst sollen die Flüchtlinge aber erst gar nicht hierher kommen, sondern in anderen Ländern – vor allem außerhalb der EU – bleiben. Dazu soll unter anderem die deutsche Polizeipräsenz durch den Aufbau eines „Verbindungsnetzwerkes“ bis in die Herkunftsländer ausgeweitet werden. Und beabsichtigt ist, da war man sich ja auch auf dem jüngsten EU-Gipfel einig, Lager in Ländern außerhalb der EU – so auch in Nordafrika –, als angeblich „sichere Orte“ (Seehofer) zu schaffen, damit Menschen überhaupt erst gar nicht in die EU weiterreisen.
Der Masterplan soll die Migration ordnen, steuern und begrenzen“, hatte Seehofer gleich zu Beginn der Vorstellung seines Plans erklärt. Er wolle Ordnung schaffen, aber auch Humanität gewährleisten. An diesem Tag feierte er seinen 69. Geburtstag. An diesem Tag wurden 69 Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben. Auch wenn Seehofer überrascht tat, es nahm ihm niemand ab. Die „Berliner Zeitung“ schrieb: „Es war als Erfolgsmeldung gemeint und klang vor allem zynisch.“ Einen Tag später wurde bekannt, dass sich einer der Abgeschobenen in Kabul das Leben genommen hatte. Die Empörung bei den Koalitionspartnern in der Regierung, bei FDP, Grünen und der Linkspartei war groß. Forderungen nach seinem Rücktritt wurden laut. Seehofer wies diese zurück: Er verstehe das gar nicht, der Bund sei bei der Auswahl der Flüchtlinge für den Abschiebeflug nicht zuständig. Also alles nur „Zufall“? Heftige Kritik kam von Hilfsorganisationen, aber auch von Heinrich Bedford-Strohm, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, sowie von katholischen Würdenträgern.
Mittlerweile formiert sich selbst in der CSU Widerstand gegen den Bundesinnenminister und CSU-Chef Seehofer. Man rätselt dort, was Seehofer eigentlich beabsichtige, ob er Söder und der CSU vor den Landtagswahlen Schaden zufügen wolle. Manche, wie der Herbertshausener Bürgermeister Richard Reischl, der einen „Brandbrief“ an „seine CSU“ schrieb, lehnen auch Seehofers ständige Verschärfung der Flüchtlingspolitik ab. „Flüchtlinge sind keine Sündenböcke für Entwicklungen, die in unserer Gesellschaft schieflaufen“, erklärte zum Beispiel auch Stephan Bloch dem „Spiegel“. Bloch ist Gründer der Union der Mitte, einer von Vertretern der von liberalkonservativen Mitgliedern sowie Amts- und Mandatsträgern gemeinsam mit Gleichgesinnten aus der CDU gegründeten Initiative.