Grußwort von Anne Rieger an den Ostermarsch in Cottbus am 21. April

Sechsmal soviel für Militär

Wir dokumentieren das Grußwort von Anne Rieger (KPÖ) an den Ostermarsch in Cottbus am 21. April in voller Länge. Für bessere Lesbarkeit haben wir das Grußwort bearbeitet.

Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens,

„Europa ist der sich am schnellsten erwärmende Kontinent, die Gletscher schmelzen schneller, die Ressourcen schwinden schneller, die klimatische Stabilität geht schneller verloren als anderswo. Europas Klimazahlen leuchten rot wie das Fegefeuer. Und: Die Heizer sind immer noch am Werk“,
schrieb die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die Sprecherin des deutschen Kapitals, vor wenigen Tagen.

Wer sind die Heizer? Das schreib sie nicht!

Wir wissen es: Einer der größten Klimakiller sind Rüstung und Militär.

Bereits 2020 hat das sozialökologische Institut für Wirtschaftsforschung (ISW) Krieg und Militär als Klimakiller Nr. 1 ausgemacht. Das war noch vor dem aktuelle Kriegsgeschehen in der Ukraine und in Gaza.

Krieg und Militär gehören zu den größten Verbrauchern von fossiler Energie und anderen Ressourcen mit klimaschädigendem CO²-Ausstoß. Sie verbrauchen zudem weltweit mehr als 2 Billionen Dollar für Rüstungsausgaben – der Höchststand in der Menschheitsgeschichte. Auch deutsche Regierungen erhöhen ihre Rüstungs- und Militärausgaben in nie dagewesener Größenordnung seit dem Zweiten Weltkrieg.

Diese Geldsummen würden stattdessen dringend für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen und sozialen Ausgleich benötigt. Rüstung heizt die Klimakrise doppelt an. Ambitionierte Klimaziele und Aufrüstung passen nicht zusammen!

Die Staaten der Welt geben sechs Mal so viel für Militär aus wie für Klimaschutz.

Mit den Rüstungsausgaben alleine der EU – ich rede hier nicht von ganz Europa, das ja bis zum Ural reicht – verursacht die EU Emissionen, die denen von 14 Millionen Autos pro Jahr entsprechen.

Regelmäßig stattfindende Manöver und die aktuellen Kriege zerstören die Umwelt, etwa durch zerstörte Infrastruktur, deren Wiederaufbau bzw. Herstellung und freigesetzte Umweltgifte.

Ein Panzer des Typs „Leopard“ verbraucht 414 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer. Das ist etwa 30mal so viel wie wie ein Audi-SUV verbraucht; dort sind es immerhin etwa 12 Liter pro 100 km, der schon ist ein riesiger Klimasünder.

Ein „Eurofighter“ erzeugt pro Stunde 11 Tonnen CO² – so viel, wie ein durchschnittlicher Deutscher in einem ganzen Jahr produziert.

In klimawissenschaftlichen Studien aber werden Militär und Rüstung kaum erwähnt. Warum?

Lasst uns gemeinsam nachdenken.

Von der Landwirtschaft über den Verkehr bis zur heimischen Heizung – jede Tonne Kohlendioxid, die in die Atmosphäre gelangt, wird behördlich erfasst und mit dem globalen CO²-Restbudget verrechnet.

Nur der CO²-Abdruck des Militärs ist auf Druck von USA und NATO weder im Kyoto-Protokoll von 1997 noch im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 berücksichtigt worden.

Emissionen, die bereits bei der Produktion von Kriegsgerät entstehen, werden einfach unter anderen Industrieemissionen subsumiert.

Was muss alles hergestellt werden, um Waffen für den sogenannten „Normalgebrauch“ zu haben, und was und wieviel emittieren sie? Welche Belastungen kommen durch sie? Hier eine unvollständige Aufzählung:

  • Artillerie
  • Minen
  • Bomben
  • Waffen
  • Granaten und Munition – sowohl bei der Herstellung als auch beim Einsatz im Krieg
  • Maschinen, um diese Mordgeräte herzustellen
  • Relevant sind auch militärischen Bauwerke wie Schutzmauern, Panzersperren und Schützengräben, für die spezielle energiehungrige Bagger eingesetzt werden
  • Zusätzliche Rohstoffe für Kriegsmaterial werden abgebaut
  • Energie für die Waffenproduktion
  • Truppen und Panzer werden verlegt für Manöver – 20.000 allein aus den USA nach Europa.

So sind die größten institutionellen Klimasünder und ihr Einfluss auf die Erderwärmung völlig aus dem Blick von Klimabewegung, Fridays for Future und anderen Bevölkerungsteilen geraten.

Stuart Parkinson, Direktor der Scientists For Global Responsibility hat – trotz der mangelhaften Datenlage – errechnet, dass die Emissionen von Militär und Rüstungsindustrie etwa fünf Prozent des globalen CO²-Ausstoßes ausmachten.

Sie entsprechen damit fast dem Doppelten der weltweiten Klimaschädigungen durch die Luftfahrt.
Aber fliegen sollen wir nicht – wohl aber die Kampfjets und demnächst die Mittelstreckenraketen.

Allein die Bundeswehr hat im Jahr 2021 ohne Auslandseinsätze 1,71 Millionen Tonnen CO² ausgestoßen, ein Anstieg um knapp 18 Prozent im Vergleich zu 2019.

Manöver, freundlich „Militärübungen“ genannt, verschmutzen neben der Atmosphäre Gewässer, Böden und die Luft. Sie beanspruchen riesige Flächen und verursachen Langzeitfolgen, wie etwa beim Großbrand im Emsland vor einigen Jahren zu beobachten war.

Wenn alle NATO-Mitglieder 2 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgeben, wird sich ihr militärischer CO²-Fußabdruck zwischen 2021 und 2028 auf 2 Milliarden Tonnen CO²-Äquivalente vergrößern. Zum Vergleich: Das Erdöl-fördernde gesamte Russland verursacht rund 1,65 Millionen Tonnen CO² pro Jahr, einer Studie von 2022 zufolge.

Laut Ex-Weltbank-Ökonom Nicolas Stern ist eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs nur möglich, wenn die Staaten jährlich 2 Prozent der Wirtschaftsleitung für Klimaschutz ausgeben.

Super wichtig: Krieg zerstört Vertrauen, und ohne Vertrauen kann globale Klimapolitik nicht gelingen. Dennoch steigen die Militärausgaben ins Unermessliche. Das Geld fehlt auch in Bildung, Schule, im Gesundheitswesen, in allen sozialen Strukturen. Statt Klimaschutz zu betreiben, rüsten die deutschen Regierungen unermesslich auf.

Was ist zu tun?

Zuerst müssen wir uns selbst bilden, dann andere aufklären. Das geht überall: auf der Straße, in Betrieben, in Vereinen, in Bündnissen, in der Nachbarschaft, oder hier auf dem Ostermarsch. Es gibt viele Appelle, mit denen man aufklären und Zustimmung sammeln kann: den Berliner Appell, den Aufruf „Gewerkschaften gegen Aufrüstung und Krieg“, oder die Petition gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Menschen sterben, darunter viele Kinder und Frauen. Menschen fliehen, Landschaften werden zerstört. Daran ändert sich nichts, solange das nicht beendet wird.

Wir müssen den Militärs, den Kriegspolitikern, den Aktionären der Rüstungsunternehmen das Heft des Handelns aus der Hand schlagen.

Nur dann wird es Waffenruhe, Frieden und ein gesundes Klima und eine gesunde Umwelt geben.

Ich wünsche eurer Osteraktion einen vollen Erfolg!

Anne Rieger ist Ko-Sprecherin des Bundesausschusses Friedensratschlag, Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) und UZ-Autorin

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