SDAJ zur Einigung in der Tarifrunde der Länder

In der Auseinandersetzung um den Tarifvertrag der Länder kam es in der Nacht auf den 29. November zur Einigung zwischen dem Arbeitgeberverband TdL (Tarifgemeinschaft deutscher Länder) und den von ver.di vertretenen DGB-Gewerkschaften sowie dem Deutschen Beamtenbund.

Zusammenfassung

Die Eckpunkte des Abschlusses sehen so aus: Bei einer Laufzeit von 24 Monaten steigen die Löhne nach 14 Nullmonaten ab Dezember 2022 um 2,8 % an. Für alle Beschäftigten, die zum Stichtag am 29. November im TV-L beschäftigt sind, gibt es Anfang 2022 eine steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung von 1300 € in Vollzeitbeschäftigung. Zum Vergleich: ver.di hatte 5 %, mindestens aber 150 € pro Monat auf ein Jahr gefordert.

Der aktuellen Inflation gegenübergestellt bedeutet der Abschluss einen Reallohnverlust, der sich besonders in den Nullmonaten, die in die aktuell galoppierende Inflation fallen bemerkbar macht. Die hohe Einmalzahlung ist gerade für die unteren Lohngruppen sicherlich akut deutlich spürbar, sie wiegt aber die 14 Monate ohne Erhöhung keineswegs auf. Die Einschätzung der Verhandlungsführung von ver.di, hiermit einen ordentlichen Abschluss erreicht zu haben, teilen in den sozialen Medien und in Gesprächen im Betrieb nur wenige.

Wut im Gesundheitswesen

Eine Sonderforderung hatte ver.di für das Gesundheitswesen aufgestellt: Alle Kolleginnen und Kollegen sollten mindestens 300 € pro Monat mehr bekommen. Bis zuletzt hatte ver.di immer wieder betont, hier keine Spaltung zulassen zu wollen. Der tatsächliche Abschluss spaltet die Berufsgruppen in den Krankenhäusern allerdings massiv: Von 0 € mehr gegenüber dem allgemeinen Abschluss (bspw. Reinigungskräfte) über 35 € für eine Anästhesiepflegekraft ohne Nachtdienst bis hin zu maximal 120 € für eine Intensivpflegekraft im Dreischichtsystem sind durch die Anhebung verschiedener Zulagen alle möglichen Konstellationen möglich. So bekommen zwar einige Kolleginnen und Kollegen – teilweise erheblich – mehr, als die Beschäftigten außerhalb des Gesundheitswesen, aber die Belegschaften der Krankenhäuser werden auseinandergerissen, während die besonders belasteten Bereiche sich überwiegend trotzdem nicht im geringsten für ihre Arbeit an der vordersten Front der Pandemie ausreichend wertgeschätzt sehen.

Neben der innerbetrieblichen Ungerechtigkeit bleiben entgegen der Versprechung von 2019 weiterhin Justizkrankenhäuser und Psychiatrien von der sogenannten Pflegezulage ausgenommen.

Die Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitswesen sind trotz des für sie teilweise besseren Abschlusses besonders unzufrieden über den Abschluss. Schließlich waren sie es, die den deutlich größten Teil der Streikbeteiligung und der Öffentlichkeitsstrategie gestemmt haben. Viele Belegschaften waren bereit, weiter in den Streik zu gehen und fühlen sich durch das abrupte Ende mit einem spaltenden und selbst für die Bessergestellten nicht zufriedenstellenden Angebot ausgebremst. Nachdem sie den tollen Erfolg ihrer Kolleginnen und Kollegen von Charité und Vivantes in Berlin, die sich einen Entlastungstarifvertrag erstreikt haben, ist das Ergebnis dieser Tarifrunde besonders für neue Gewerkschaftsaktive in den Krankenhäusern eine heftige Ernüchterung.

Das Fünkchen Wahrheit

Als „respektables Ergebnis“ bezeichnete der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke das Ergebnis. Ein Fünkchen Wahrheit liegt darin im Bereich der Auszubildenden: 50 – 70 € monatlich mehr (allerdings auch erst ab Dezember 2022!) und eine Einmalzahlung von 650 € sind kein Riesensprung, machen den aktuellen Abschluss aber im Gegensatz zu den Ausgelernten zu einem der besseren Azubi-Ergebnisse in der Geschichte des TV-L. Das macht deutlich: Wehren lohnt sich! Denn der ver.di-Jugend ist es in dieser Tarifrunde gelungen, deutlich breiter und sichtbarer aufzutreten, nicht zuletzt durch die beiden zentralen Jugendstreikaktionen am 10. November.

Arbeitgeber: Frontalangriff und Geiselhaft

Die Arbeitgeber haben, wie schon 2020 im TVöD, ihre Strategie deutlich verschärft: Dem traditionell nahezu ritualhaften Ablauf der Tarifrunde der Länder haben sie diesmal eine rundweg aggressive Ablehnung der Forderungen entgegengesetzt. Ihre Ziele haben sie damit weitgehend durchsetzen können: Für die Beschäftigten ist der Abschluss historisch schlecht und sicher eher ein Dämpfer, als eine Motivation dafür, in kommenden Tarifrunden auf die Straße zu gehen. Die von ihnen angestrebte Umgestaltung des sogenannten Arbeitsvorgangs, die für viele Beschäftigte eine schlechtere Eingruppierung und damit teils massive Lohnverluste bedeutet hätte, ließen sie zwar fallen. Im Gegenzug wischten sie damit aber Forderungen wie das ÖPNV-Ticket für Azubis oder eine feste Zusage für Verhandlungen über einen TV-Stud direkt vom Verhandlungstisch. Das Druckmittel des Arbeitsvorgangs, das vor allem gewerkschaftlich schlecht organisierte TVL-Betriebe betrifft, behalten sie so außerdem für die Tarifrunde 2023.

Die Arbeitgeber, die mit den Finanzministerien der Bundesländer direkt den deutschen Staat vertreten, haben aber nicht nur die Machtfrage beantwortet. Sie haben auch ohne Wenn und Aber klargestellt: Die Situation der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und aller, die von seinen Leistungen betroffen sind – also praktisch jeder normale Mensch – sind ihnen scheißegal. Denn Geld, das haben sie. Sie hatten 2020 100 Milliarden für den Konzernrettungsschirm, sie haben dieses Jahr 47 Milliarden sinnlose Militärausgaben und zuletzt hatten sie trotzdem noch Steuerüberschüsse in Milliardenhöhe zu bejubeln. Nur für die Interessen der Menschen wollen sie nichts geben! An den Beschäftigten sollen im Gegenteil andere Ausgaben wieder reingespart werden.

Die offensive Strategie der Arbeitgeber und somit des Staats passt sich ein in die generell vermehrt aggressive Politik gegen soziale und fortschrittliche Kräfte. Schon dem TVöD sollte 2020 ein Sparzwang auferlegt werden, hinzu kommen Angriffe auf das Versammlungsrecht und das Arbeitszeitgesetz. Vor dem Hintergrund der Krise und der wachsenden Unzufriedenheit mit der herrschenden Politik wird es eine Rückkehr der Arbeitgeber zum altbekannten Umgang mit dem öffentlichen Dienst nicht geben. Mit einem geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und wenigen ernsthaft streikfähigen Betrieben ist der TV-L für die neuausgerichtete Strategie auch ein einfaches Ziel.

Was tun?

Die Lösung für die Misere im öffentlichen Dienst der Länder kann letztlich nur sein: Rein in die Gewerkschaften und raus zum Streik auf die Straße! Das offensive und arrogante Auftreten der Arbeitgeber hat schon dieses Mal zahlreiche Kolleginnen und Kollegen endlich in Bewegung gebracht. Aber nur mit viel mehr und viel besser organisierten Betrieben wird es möglich sein, 2023 ernsthaft mehr zu erreichen, als einen erneuten verzweifelten Abwehrkampf gegen die Angriffe der Arbeitgeber. Dafür braucht es aber auch ein klares Umdenken in der Gewerkschaftsarbeit: Mit der Hoffnung auf eine Rückkehr der Arbeitgeber zur gemütlichen Sozialpartnerschaft und der Darstellung von Reallohnverlusten als respektablen Erfolg wird es weitere Niederlagen hageln. Für die ver.di-Mitglieder in den Betrieben gibt es in der ausstehenden Mitgliederbefragung auch noch die Möglichkeit, sich gegen den Abschluss auszusprechen.

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