SDAJ goes Hellas – Solidarität und Erfahrungsaustausch
Vor knapp zwei Jahren haben wir auf unserem Bundeskongress beschlossen, eine politische Rundreise durch Griechenland durchzuführen. Was damals zwar schon spannend, aber irgendwie noch vage klang, ist jetzt wahr geworden: Zehn Tage Solidarität und Austausch mit den griechischen GenossInnen. Von Gewerkschafts- und Betriebsaktiven über Mitglieder der Massenverbände bis hin zu einer Veranstaltung über die Lage der Arbeiterjugend in Deutschland – das Programm war voll und breit gefächert. Was sich als kurze Quintessenz schon festhalten lässt: Praktischer, proletarischer Internationalismus ist wichtig, macht klüger und auch noch Freude. Wir würden es immer wieder tun!
Die Teilnehmer der
SDAJ-Solidaritätsfahrt
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Ein Blick in die Statistiken der Europäischen Union reicht, um festzustellen, dass es für Jugendliche in Griechenland genügend Gründe gibt zu kämpfen. Die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen liegt bei 50 Prozent, auch mit Job reicht der Lohn kaum zum Leben und an eine eigene Wohnung ist gar nicht zu denken.
„Es ist sehr verbreitet, ins Haus der Eltern zurückzukehren“ erklärt die 30-jährige Archäologin Ioanna. Seit langem arbeitet sie schon nicht mehr als Archäologin, sondern verdingt sich einige Stunden die Woche als Griechisch-Lehrerin. Ihre 250 Euro Monatsgehalt ohne Krankenversicherung reichen nicht für eine eigene Wohnung und mittlerweile auch nicht mehr für andere essentielle Dinge: „Seit knapp fünf Monaten kann ich mir kein Monatsticket für den Bus mehr leisten“. Wer junge Menschen wie Ioanna nach ihrem Job fragt, muss großes Glück haben, um jemanden zu treffen, der tatsächlich in dem Beruf arbeitet, den er gelernt hat. Ob als Chemie-Ingenieurin oder Germanistin – am Ende landen viele im Callcenter und beantworten Fragen für große deutsche oder französische Konzerne.
Die Alternativen sind rar gesät: Wer der Arbeitslosigkeit und damit der ausgeprägten Verelendung auch nur ein Stückchen entgehen möchte, versucht sich während der Sommermonate in der Tourismus-Branche. Es warten hier schier endlose Arbeitstage, minimale Löhne und miese Arbeitsbedingungen – von Urlaub oder Wochenende gar nicht erst zu reden. Den Winter über heißt es dann durchhalten, um im nächsten Jahr dasselbe miese Spiel noch einmal zu spielen. Manch einer versucht alleine aus dieser Spirale der Verelendung auszubrechen: Er macht sich auf den Weg nach Deutschland und hofft auf das große Glück. Doch auch hier erwarten ihn Niedriglohn, lange Arbeitszeiten und kaum Perspektiven auf ein besseres Leben.
Ein Kampf an allen Fronten
Doch nicht alle Jugendlichen geben sich mit dieser Wahl zwischen Pest und Cholera zufrieden: Sie kämpfen um jede noch so kleine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. An ihrer Seite stehen dabei die Studierendenfront MAS, die Gewerkschaftsfront PAME und die Kommunistische Jugend Griechenlands KNE. Sie organisieren Jugendliche, diskutieren mit ihnen den Gegensatz zwischen ihren Interessen und den Interessen ihrer Chefs, der griechischen Regierung und der EU und führen sie in gemeinsame Kämpfe. Diese Kämpfe finden dabei in allen Bereichen statt, die Jugendliche betreffen: In der Schule, der Universität, im Stadtviertel oder am Arbeitsplatz.
Das 2. Memorandum machte es möglich: Im September 2014 entließ die Universität von Athen alle Reinigungskräfte, um den Sparmaßnahmen der Regierung Folge zu leisten. Nahezu ein Jahr lang wurde in den Universitätsgebäuden keine Toilette geputzt und kein Mülleimer geleert – ein unzumutbarer Zustand für die Studierenden und Beschäftigten der Universität. Die MAS mobilisierte die Studierenden, um Seite an Seite mit den KollegInnen um eine sofortige Wiedereinstellung zu kämpfen – mit beachtlichem Erfolg: Ein Großteil der KollegInnen konnte die Arbeit in der Universität wieder aufnehmen. Anstatt gemeinsam mit der MAS für die Wiedereinstellung zu kämpfen, beschränkten sich die Studierendenorganisationen von SYRIZA, Nea Dimokratia und PASOK ausschließlich darauf, selbst Hand anzulegen: Sie bildeten Brigaden von Studierenden, die mit Gummihandschuh und Klobürste bewaffnet durch die Universität zogen – und damit dem Kampf um Wiedereinstellung auch noch in den Rücken fielen.
Das folgende Beispiel einer jungen Kollegin zeigt, wie die Kampfbereitschaft von Jugendlichen steigt, sobald sie Organisationen wie die PAME, MAS und KNE an ihrer Seite wissen. Sie arbeitet in einem Callcenter mit miserablen Bedingungen: Kein Tarifvertrag, Monatslöhne von ca. 300 Euro für Jugendliche unter 25 Jahren, keine gewerkschaftlichen Strukturen. Mit Ausdauer und Argumenten und der Unterstützung der PAME schaffte sie es, eine Reihe von KollegInnen um sich zu scharen und ein Komitee mit dem Ziel zu gründen, einen Tarifvertrag aushandeln zu können. Doch das Unternehmen kam ihr zuvor und entließ sie – und brachte damit die KollegInnen, die sich am Komitee beteiligten, auf die Barrikaden. Sie streikten für die Wiedereinstellung der Kollegin und waren erfolgreich.
Nichts zu verlieren, außer unseren Ketten
Das Beispiel der jungen Kollegin zeigt auch: Der ständige Jobwechsel und die völlige Unsicherheit erhöht die Bereitschaft bei organisierten, klassenbewussten Jugendlichen, sich trotz Risiko politisch im Betrieb, an der Uni und in der Schule zu betätigen. Dabei stehen die jungen Menschen heute in einer kämpferischen Tradition der griechischen Arbeiterjugend: Schon während der Besetzung Griechenlands durch die faschistische deutsche Armee während des 2. Weltkriegs beteiligten sich bis zu 700 000 Jugendliche am Widerstand. Sie organisierten sich in der Jugendorganisation EPON und spielten eine wichtige Rolle sowohl im zivilen als auch im bewaffneten Widerstand. Daher verwundert es heute nicht, wenn wir auf den Demonstrationen der PAME so viele junge Gesichter sehen. Sie laufen in Ketten, zeigen Entschlossenheit und Mut zu kämpfen. Sie hegen keine Illusionen in die griechische Regierung und wissen, wer für ihre Misere zu verantworten ist: „Ich kämpfe gegen die EU und gegen imperialistische Kriege“ macht ein Schüler uns gegenüber am Rande einer Wahlveranstaltung der KKE in Patras deutlich.