SDAJ: Der aktuelle Lockdown schützt die Profite, nicht die Gesundheit der Menschen

#gesundheitstattprofite

Der „Lockdown light“ soll verlängert werden – so wird es aktuell diskutiert. Dass es dabei aber vor allem um die Profite der Großkonzerne und nicht um die Gesundheit der Menschen geht, wird bei einem Blick auf die Maßnahmen schnell klar: Privat sollen sich die Leute einschränken, damit die großen Monopole weiter uneingeschränkt Profit machen können. So läuft die Großproduktion mit tausenden Menschen in einem Betrieb ohne starke Einschränkungen weiter. Die Schuld für den zweiten Lockdown wird den unverantwortlichen Menschen gegeben, die sich einfach zu viel privat treffen würden. Dabei hat die Regierung wenig getan, um die Gesundheit der Menschen wirklich zu schützen. Währenddessen sind es die Leute in den systemrelevanten Berufen, die die Gesellschaft trotzdem am Laufen halten.

Der Hotspot, über den keiner spricht: Das Arbeitsleben

Dass die Behauptung, der dramatische Anstieg der Corona-Fallzahlen käme aus dem privaten Raum, sich nicht belegen lässt, gibt selbst das RKI im wöchentlichen Lagebericht zu. Nur bei 20% der Fälle ist die Ursache der Ansteckung überhaupt bekannt. Welche Rolle das Arbeitsleben beim Anstieg der Infektionen spielt, zeigen beispielsweise die Ausbrüche in mehreren Schlachthöfen, im Amazon-Lager oder bei Bosch in Lollar, wo die 7-Tage-Inzidenz bei über 700 Fällen liegt, die Produktion aber fröhlich weiterläuft. Dass sich in vielen Betrieben nicht noch mehr Leute anstecken, ist häufig auf die Arbeit der Gewerkschaften und der Betriebsräte zurückzuführen, die sich für die ernsthafte Umsetzung von Hygienemaßnahmen einsetzen.

Überlastete Gesundheitsämter

Ein zentrales Problem bei der Bekämpfung der Pandemie sind die völlig überlasteten Gesundheitsämter: Die Kontaktnachverfolgung bei bekannten Corona-Fällen findet vielfach nur noch mit tagelanger Verzögerung oder eben einfach gar nicht mehr statt. Und auch nach Monaten der Pandemie sind die Testkapazitäten in Deutschland immer noch viel zu klein, getestet werden aktuell nur noch Kontaktpersonen mit erhöhtem Risiko oder Personen mit eindeutigen Corona-Symptome. Währenddessen wurden erst vor wenigen Wochen in Kashgar in China 4,7 Millionen Menschen in vier (!) Tagen getestet.

Das zeigt einmal mehr, wie absurd es ist, die Schuld der ansteigenden Fallzahlen auf angeblich unverantwortlich handelnde Einzelpersonen zu schieben. Testkapazitäten und Gesundheitsämter hätte man über den Sommer einfach aufstocken können. Dazu hätte man beispielsweise arbeitslos gewordenen Studierenden und anderen Mini-Jobbern einstellen können. Stattdessen gibt es für diese fast keine Hilfen. Dass stattdessen Bundeswehrsoldaten in den Gesundheitsämtern aushelfen, dient wohl eher dazu, die Akzeptanz der Bundeswehr in der Gesellschaft zu erhöhen. Das wird wohl auch der Grund sein, warum sie dort in ihrer Uniform auftauchen, die sie für ihre Arbeit in Gesundheitsämtern nun wirklich nicht brauchen.

Personalmangel und schlechte Ausstattung der Krankenhäuser

Auch in den Krankenhäusern ist die Lage dramatisch: Dem Personal, für das im März und April noch von höchster Stelle applaudiert wurde, wurde eine ernsthafte Erhöhung der Löhne erst kürzlich in der Tarifrunde Öffentlicher Dienst verweigert. Statt mehr Personal einzustellen und die Arbeitsbedingungen ernsthaft zu verbessern, werden Arbeitszeitregelungen angegriffen, wie zuletzt mit einer Allgemeinverfügung in Niedersachsen. Diese sieht vor, dass Pflegekräfte bis Mai 2021 in 12-Stunden-Schichten und bis zu 60 Stunden die Woche arbeiten „dürfen“, in vielen Fällen wohl müssen. Zum Teil müssen selbst infizierte Pflegekräfte arbeiten, einige Krankenhäuser nehmen schon jetzt seit Wochen keine Corona-Patienten mehr auf. Das alles hat zur Folge, dass nun erneut um eine Triage diskutiert wird: Wer wird behandelt, wem wird, wie es im Frühjahr in Italien passiert ist, im Zweifel das Beatmungsgerät weggenommen werden? Die Untätigkeit der Regierung kostet tausende Tote.

Keine ernsthaften Hygienemaßnahmen an Schulen

Während man sich privat nur noch mit Personen aus einem anderen Haushalt treffen darf und wir aufgefordert werden, selbst das sein zu lassen, scheint das in der Schule alles egal zu sein. Auch hier geht es um die Profite der Monopole: Die Schulen müssen offenbleiben, damit die Eltern weiterarbeiten können. Anders als für die Rettung von Großunternehmen wie beispielsweise der Lufthansa, möchte man hierfür aber kein Geld ausgeben: Lüften und und von den Schülern selbst gekaufte Masken müssen reichen, so die Politik. Dass das auch anders ginge, zeigen die Forderungen der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), die unter anderem Lehrerinnen und Lehrer vertritt: Statt sich mit 30 Leuten in eine Klasse zu setzen, sollten die Klassen sofort halbiert werden. Helfen könnten als zusätzliche Lehrkräfte auch Lehramtsstudierende kurz vor ihrem Abschluss. Wegen Corona und den dadurch erschwerten Lernbedingungen ist der sowieso schon massive Leistungsdruck noch größer: Die Notengebung muss deshalb sofort ausgesetzt werden.

Freizeitgestaltung unter Berücksichtigung der Hygieneregeln organisieren

Ob wir allein in unserer Einzimmer-Wohnung sitzen oder uns in der 4er-WG langsam auf den Keks gehen, die soziale Isolation und die Vereinzelung, die privaten Einschränkungen machen uns allen zu schaffen. Der erste Lockdown hat bereits zu einem dramatischen Anstieg von psychischen Problemen und Depressionen geführt. Doch Corona-konforme Freizeitgestaltung zu organisieren, ist der Bundesregierung schlicht zu teuer oder zu aufwendig – dabei haben Restaurants, Kulturschaffende, Jugendzentren, Sportvereine und co. sinnvolle Hygienekonzepte entwickelt. Aber auch hier gilt: Profitbringende Champions League und Bundesliga laufen weiter, der Breitensport wird verboten.

Ernsthafte Hilfen für Studierende, Kurzarbeiter, Arbeitslose und kleine Unternehmen!

Für viele von uns hat der Lockdown auch dramatische finanzielle Folgen – Studierende haben schon vor Monaten ihre Nebenjobs verloren, mit denen sie ihre Miete finanzieren, Kurzarbeiter müssen mit einem deutlich reduzierten Gehalt auskommen, während Fixkosten teils sogar steigen, etliche Menschen haben ihren Job ganz verloren. Die Corona-Prämie gibt’s anders als zunächst angekündigt eben nicht für alle Pflegekräfte, vielfach wurde sie immer noch nicht ausgezahlt. Für viele kleine Gewerbetreibende ist der erneute Lockdown der Todestoß, wenn sie den ersten im März überhaupt überlebt haben. Zwar gibt es mittlerweile auch Hilfen für kleinere Unternehmen, die Beantragung ist aber aufwendig, die Wartedauer häufig sehr lang. Und wenn die Insolvenzantragspflicht Anfang nächsten Jahres in Kraft tritt, wird das wohl zu zahlreichen Insolvenzen und zu steigender Arbeitslosigkeit führen. Richtig Geld gibt’s nur für die Großen.

Gegen die Einschränkung von ehrenamtlicher und politischer Arbeit!

Während der Lockdown die große Mehrheit der Bevölkerung zu Gunsten der Profite hart trifft, wird ehrenamtliche und politische Arbeit stark eingeschränkt: So sind beispielsweise in Bayern und Hessen Vereinssitzungen und teilweise selbst Parteitreffen unter Hygieneregeln untersagt – während ein paar hundert Meter weiter tausende Menschen in einem Werk arbeiten. Damit werden mal eben grundlegende demokratische Rechte einkassiert.

Die Lage ist wegen den stark steigenden Infektionszahlen dramatisch. Die Maßnahmen der Bundesregierung treffen den Großteil der Bevölkerung ein zweites Mal hart, nur, damit die Profite der großen Unternehmen gesichert werden. Dabei sind die es, die sogar in den letzten Monaten Profite und Dividenden einstecken konnten – allein der Vermögensanstieg von Lidl-Eigentümer Dieter Schwarz liegt bei 11,1 Milliarden Euro, bei Susanne Klatten, Miteigentümerin von BMW, sind es immer noch stolze 2,7 Milliarden Euro. Geld für unsere Forderungen wäre also genug da. Wir lassen uns nicht einschüchtern und kämpfen gemeinsam:

  • Die steigenden Fallzahlen müssen tatsächlich ernstgenommen werden – deshalb brauchen wir mehr Personal in den Krankenhäusern und eine sofortige Aufstockung der Gesundheitsämter!
  • Schaffung von Nebenjobs für Studierende im Gesundheitswesen, statt Militär im Inneren!
  • Arbeit nur unter Berücksichtigung von ernsthaften Hygieneregeln – Schluss mit den Hotspots am Arbeitsplatz!
  • Sofortige Teilung der Schulklassen und Aussetzung der Notengebung!
  • Organisation Corona-konformer Freizeitgestaltung und von Kunst und Kultur statt privater Isolation!
  • Ernsthafte Hilfen für Studierende, Kurzarbeiter, Arbeitslose und kleine Unternehmen statt Brotkrümel!
  • Sofortige Rücknahme der Einschränkungen von ehrenamtlicher und politischer Arbeit!
  • Coronahilfen direkt an die Beschäftigten, statt Profitsicherung der Reichen!
  • Sofortige Hilfen und schnelle Auszahlungen für kleine Gewerbetreibende!

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.



UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
Unsere Zeit