Zum letzten Mal

Wissler Rede - Zum letzten Mal - -
Viel Show, große Emotionen und keine Angriffsflächen – Janine Wisslers letzte Rede als Parteivorsitzende. (Foto: UZ)

Das kam uns noch von Augsburg bekannt vor: Eine Lichtshow und ein auf großen Leinwänden abgespieltes Video läuteten die Rede der Parteivorsitzenden Janine Wissler ein. „Das ist meine letzte Rede als Parteivorsitzende“, begann sie. Als sie die „Linke“ übernahm, habe sie nicht mit Herausforderungen wie der Pandemiepolitik und der BSW-Abspaltung gerechnet. Sie habe übernommen, als die Partei bereits durch Machtkämpfe gekennzeichnet war. Die Abspaltung habe man nicht verhindern können. Starke Kritik übte sie an den BSW-Positionen in der Migrationspolitik – und unterstellte dem Bündnis Gedankenspiele zu gemeinsamen Anträgen mit der AfD.

Es folgten einige „linke“ Evergreens, begleitet von Aufforderungen zur Einheit. Der Umgang miteinander müsse sorgsamer werden. Öffentliche Angriffe „aus den eigenen Reihen“ seien schmerzhaft. Diskutiert werden müsse in der Sache und „nicht mit dem Ziel inhaltlicher Geländegewinne“. Das hatte Wissler vor elf Monaten in Augsburg schon wörtlich so gesagt.

Aber auch feiner Humor wurde demonstriert. Die SPD werfe ihre linken Überzeugungen und Versprechen über Bord, sobald sie regiere, beschwerte sich Wissler. Kurz zuvor hatte sie ihre Freude darüber ausgedrückt, heute den geschäftsführenden Ministerpräsidenten von Thüringen, Bodo Ramelow, begrüßen zu dürfen.

Wissler forderte die Prüfung eines AfD-Verbots, die sie als eine „im Kern faschistische Partei“ charakterisierte. Die anderen Parteien würden sich an einem „AfD-Lookalike-Contest“ beteiligen. „Das Problem ist nicht, dass wir in einer Einwanderungsgesellschaft leben, sondern dass wir in einer Klassengesellschaft leben“, führte sie aus. Bevor die UZ-Redaktion in den Jubel über diese korrekte Analyse einsteigen konnte, wandte sich Wissler der Friedensfrage zu.

„Wir sagen: Russische Truppen raus aus der Ukraine! Und wir setzen uns ein für Verhandlungen“, machte sie den Hauptfeind im Osten aus und nicht im eigenen Land. Auch das „Massaker der Hamas“ am 7. Oktober vergangenen Jahres wurde pflichtschuldig „auf das Schärfste“ verurteilt. „So schafft man keine Sicherheit, so bekämpft man keinen Terror“, kritisierte Wissler den Krieg der israelischen Armee gegen die Bevölkerung in Gaza. Darauf bedacht, keine Angriffsfläche zu bieten, schlängelte sie sich durchs Minenfeld Nahost. Einerseits forderte sie immerhin einen Stopp der Waffenlieferungen nach Israel, um dann zum „Kampf gegen alle Erscheinungsformen von Antisemitismus“ überzuleiten. „Wer das Massaker der Hamas feiert, wer zur Vernichtung Israels aufruft, kann nicht unser Bündnispartner sein“, so Wissler.

Aber auch für die eigene Partei fand sie Worte. „Die Linke“ befinde sich in einer Krise. „Die Wahlergebnisse zeigen, wie schwer es ist, verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen.“ Bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg, bei den Kommunalwahlen und bei den kommenden Bundestagswahlen soll es nun aufwärts gehen. Man wolle wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag ziehen. „Ich bin zuversichtlich, weil die Partei so großartige Mitglieder hat.“ Ohne die Mitglieder, die sich einsetzten, gebe es die Partei nicht. Das leuchtet ein.

Für das, was sie in der „Linken“ erlebt hat, zeigte sie sich dankbar. Die Rede von Janine Wissler endet mit einer Lichtshow und Standing Ovations – allerdings nicht von allen. Gegen Ende des Applauses hatte eine Delegierte noch einen kleinen Blumenstrauß für Wissler, und ihr Ko-Vorsitzender Martin Schirdewan spendierte eine Umarmung. Immerhin.

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