Der Leitantrag des Parteivorstands wurde eingebracht. „Gegen den Strom“ heißt das Dokument. 13 Seiten ist er lang, aber konkrete Analysen und daraus resultierende Forderungen finden sich kaum. „Die Linke“ sei „zweifellos in einer gefährlichen, existenzbedrohenden Situation“, heißt es. Dem kann man zustimmen, so wie man auch vielen anderen Sätzen zustimmen kann, die etwa die Gewinne der Rüstungskonzerne geißeln oder den sozialen Kahlschlag kritisieren. Und was folgt für „Die Linke“ daraus? Man will sich auf einigen Feldern „weiterentwickeln“, steht da, bevor der Reigen der Konjunktive beginnt.
„Wir entwickeln Konzepte, wie das Leben in den Kommunen für alle sinnvoll gestaltet werden kann.“ Auch die „Forderungen und Reformkonzepte“ zu gleichwertigen Lebensverhältnissen will man „weiter entwickeln“. „Wir werden die Militarisierung (…) zurückweisen“ und natürlich auch „tragfähige Konzepte“ zur weltweiten Abrüstung entwickeln. Auf die Friedensfrage „wird unser Bundestagswahlprogramm 2025 konkrete Antworten liefern.“ Außerdem will man „die Verbindungen in die Gewerkschaften“ stärken. „Wir wollen Vernetzungen, Gesprächsformate und Strategieberatungen“ zu diesem Zweck ausbauen. Und so geht es immer weiter. „Wir konkretisieren“, „wir wollen“, „wir entwickeln“.
Wo es konkret wird, wird es seltsam. Hauptherausforderung in der Friedensfrage sei nicht der Kampf gegen den deutschen Imperialismus oder die NATO, sondern: „Insbesondere der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands (…) hat ‚Die Linke‘ vor neue Herausforderungen“ gestellt. Zwar würden auch USA und NATO „eigene geopolitische und strategische Interessen“ verfolgen, aber es wäre „ein Fehler, den Ukrainekrieg auf seine – unbestreitbare – geopolitische Dimension und damit auf eine rein innerimperiale Auseinandersetzung (…) zu reduzieren.“ War auf dem Augsburger Parteitag schon die Äquidistanz ärgerlich genug, droht „Die Linke“ mit solchen Beschlüssen ganz ins NATO-Lager zu kippen. Die „ukrainische Bevölkerung kämpft um ihr Recht auf nationale Selbstbestimmung“ heißt es da, wodurch der NATO-Feldzug gegen Russland und China zum nationalen Befreiungskampf verklärt wird.
„Nicht nur der Globale Westen, sondern auch Staaten wie Russland, Iran oder China, sowie in einer Doppelrolle die Türkei, kämpfen um regionalen oder globalen Einfluss“, geht es munter weiter. Alles irgendwie dasselbe. Und was ist denn jetzt mit dem Kampf für Frieden? „Ein Friede kann nur ein gerechter Friede sein.“ Die „russischen Truppen“ müssten sich zurückziehen, und auch ein Waffenstillstand müsse kommen, der aber „sicherstellt, dass er keiner Partei militärische Vorteile für eine Wiederaufnahme der Kampfhandlungen verschafft.“ Das klingt in anderen bürgerlichen Parteien nicht sehr anders. Immerhin: „Die Linke“ will sich gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland aussprechen. Dieser Hinweis muss als Lob genügen.
Mehrere Anträge wollen den ganzen Leitantrag ab- oder ersetzen. Rund 200 Änderungsanträge liegen vor. Was daraus wird, bleibt abzuwarten. Zunächst schließen wir uns einem Satz des Kreisverbands Freiburg an, der in seinem Änderungsantrag an den Parteivorstand schreibt: „Als wir euren Antrag diskutiert haben, waren wir als aktiver Kreisverband sehr verzweifelt.“