Keine Haltung zum deutschen Militarismus

Soeben wurde der Antrag „Schluss mit der Kanonen-statt-Butter-Politik“ behandelt, den die Kommunistische Plattform zusammen mit Cuba Sí und der BAG Selbstbestimmte Behindertenpolitik eingebracht haben. Obwohl die Abstimmung beendet wurde, bevor alle Delegierte mit Open Slides teilnehmen konnten, sprach sich eine Mehrheit gegen den Versuch des Parteivorstands aus, den Friedensantrag vollkommen zu entkernen. Eine gemeinsame Haltung zum deutschen Militarismus fand der Parteitag trotzdem nicht.

„Der deutsche Faschismus machte den deutschen Militarismus zu einer unfassbar grausamen, chauvinistischen Ausgeburt des Völkerhasses und des Völkermords“, so stand es im Antrag. In einem Gegenantrag forderte der Parteivorstand, diesen Satz und viele weitere zu streichen. Auch von 27 Millionen toten Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion sollte keine Rede mehr sein. Der Absatz sollte ersetzt werden durch den lapidaren Satz: „Zwei Weltkriege haben im zwanzigsten Jahrhundert Millionen Leben gekostet.“ Dieser Streichung widersprach Ellen Brombacher als Antragstellerin deutlich: Einer solche Streichung „kann man nicht zustimmen.“

Wer die Nähe zur NATO-Haltung sucht, schweigt lieber zum deutschen Militarismus – alle Verweise darauf sollten auf Wunsch des Parteivorstands verschwinden. Folgerichtig wurde auch große Passagen mit Kritik an der NATO und an der Aufrüstung des Westens gestrichen. Statt sich in der Opposition zum deutschen Imperialismus zu verorten, für den die EU ein notwendiges Machtmittel ist, wollte der Parteivorstand folgenden Satz beschließen lassen: „Die Bundesregierung muss sich für eine strategische Unabhängigkeit der EU einsetzen, um in internationalen Konflikten glaubhaft vermitteln zu können.“

Wulf Gallert, die Rechtsaußen-Allzweckwaffe des Parteivorstands, beschwerte sich darüber, dass im Ursprungsantrag die Militärausgaben Russlands ins Verhältnis zur NATO gesetzt wurden: Man könne immer sagen, die NATO-Länder geben mehr aus als Russland. Aber auch in Russland würden die Militärausgaben steigen, das müsse man kritisieren. Zudem wehrte sich Gallert dagegen, in Zwischenrufen „als Kriegstreiber beleidigt“ zu werden.

Das Vorgehen des Parteivorstands sorgte für großen Unmut und zahlreiche Geschäftsordnungsanträge. Die EU-Abgeordnete Özlem Demirel kritisierte, dass der Parteivorstand bei allen Friedensanträgen „Ersetzungsanträge getarnt als Änderungsanträge eingebracht“ habe. Anträge von Genossinnen und Genossen könnten abgelehnt oder beschlossen werden. Aber der PV würde den Charakter verändern, bevor der Parteitag zusammenkommt: „Hört damit auf“, so Demirel unter dem lautstarken Zuspruch der Delegierten.

„Stimmt dem Antrag zu, zeigt, dass dieser Parteitag gegen das Wiedererstarken des deutschen Militarismus ist“, so Ellen Brombacher, bevor es nach langem Hin und Her zur entscheidenden Abstimmung kam. Doch die Delegierten folgten dem nicht. Sie stimmten zwar nicht für den verdrehten Antrag des Parteivorstands, aber auch nicht für den Antrag „Schluss mit der Kanonen-statt-Butter-Politik“. „Die Linke“ hat keine gemeinsame Haltung zum deutschen Militarismus.

Unsere Zeit