Am Ende gibt es dann doch noch ein bisschen Inhalt. Stephan Jegielka beginnt den letzten Block in der Vorstellungsrunde. Er knüpft an Naisan Raji an und verweist ebenfalls auf die Shell-Studie und die Sorgen und Ängste der Jugend: Krieg, Armut und die Folgen der Corona-Maßnahmen. Daraus folgert er, dass die Jugend die Themen diktiere – und ihre Gewichtung. Das Frieden nur „etwas für ältere Ostdeutsche“ sei, könne so ja nun nicht stimmen. Jegielka berief sich auf das Erfurter Programm, das nicht erneuert gehöre, sondern in das Zentrum des Handelns der Linkspartei. Das mache den Frieden zur Hauptaufgabe des Handelns. Der sei untrennbar mit der sozialen Frage verbunden.
Auch Theo Glauch machte klar, dass er seine Kandidatur für den Parteivorstand mit der Friedensfrage verbindet. „Die Linke“ sei die Partei, die die Friedensfrage mutig vertrete. Auch für Glauch liegt die soziale Frage direkt daneben: Wohnen, so betont er, ist ein Menschenrecht.
Thies Gleiss von der Antikapitalistischen Linken steigt mit einer Frage ein: „Wer denkt sich eigentlich solche Parteitags-Mottos aus?“ Bereit für ein gerechtes Morgen – das nehme ihn nicht mit. Er wirbt für eine „radikale Realpolitik“. Seine Diagnose: Der Partei fehle Antikapitalismus. Aufgabe sei es, „aus der Friedensbewegung eine Antikriegsbewegung“ zu machen. Dafür müsse man erklären, wie Kriege entstehen. Tue man das, könne man diese antikapitalistische Analyse der Kriegsursachen in praktische Politik umsetzen. Warum, so fragt er, trete niemand von der Bundestagsgruppe auf und sagt: „Ich bin für den Generalstreik gegen die Rüstungsproduktion“?
„Ein Nein zum Krieg, ein Nein zu Waffenlieferungen und ein Nein zu Mittelstreckenraketen“ fordert Ulrich Thoden. Dabei dürfe man keine Angst vor der bürgerlichen Presse haben. Sorge müsse man sich erst machen, wenn „die Bürgerlichen positiv über uns berichten“. Solidarität erwachse aus der gemeinsamen Praxis. Das sehe man in den Gewerkschaften, die auch bunt zusammengesetzt seien. Im Gegensatz zur Linkspartei wüssten deren Mitglieder aber, dass man zusammenstehen müsse, wenn man Siege erringen wolle. „Nur mit geradem Rücken kann man vorwärts gehen“, beendete er seine Rede.
Als letzter Kandidat (die Vorstellung erfolgte alphabetisch nach Vornamen) wirft Wulf Gallert seinen Hut in den Ring. Er war in der Antragsdebatte des Parteitags schon mehrmals mit Positionen aufgefallen, die sich nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen China richten. Vertrauen in die Linkspartei als Friedenspartei sei laut Gallert deswegen verloren gegangen, weil sich die Partei nicht genug gegen Russland stelle. Den Beginn seiner drei Minuten nutzt er, um anzukündigen, dass er die Zeit „so sinnvoll füllen“ wolle „wie es geht“. „Wir haben den Kapitalismus heute und gestern an diesem Mikro vollständig vernichtet. Wir haben den Krieg vollständig vernichtet. Wir haben die internationale Solidarität hochleben lassen“, spottet der Rechtsausleger des Parteivorstands über die kämpferischen Reden seiner Genossinnen und Genossen. Dann sagt er noch, dass sich etwas verändert habe und man überlegen müsse, wie die Partei massenwirksam werde. Im Laufe des heutigen Tages war Gallert oft in die Bresche gesprungen, um den Leitantrag des Parteivorstands gegen fortschrittliche Änderungen zu verteidigen. Es bleibt abzuwarten, wie es ihm die Delegierten in der Abstimmung danken.