Endlich mal ein bisschen Stimmung in der Debatte. Während die Befürworter des Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) vor allem auf den Mitgliederentscheid verwiesen und innerparteiliche Demokratie einforderten, gingen die Gegner verstärkt in die inhaltliche Diskussion.
Demokratie bedeute auch, Entscheidungen revidieren zu können, hieß es in der ersten Gegenrede. Ziel sei der demokratische Sozialismus, das BGE widerspreche diesem Anspruch. Heißt es doch bei Marx: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ Auch als Zwischenziel tauge es nicht. „Wer mehr braucht, muss auch mehr bekommen.“ Ungerecht sei es, bei unterschiedlichen Lebensverhältnissen gleiche Auszahlungen zu fordern. Das BGE würde außerdem 1,5 Billionen Euro kosten. Eine Partei, die stark genug wäre, das durchzusetzen, sollte lieber gleich den Sozialismus durchsetzen. Ähnlich klang das auch in anderen Reden der Kritiker. Das BGE sei keine Klassenpolitik und schwäche die Gewerkschaften. Die Forderung werde auch unter aktuellen Kräfteverhältnissen genutzt, um „den Sozialstaat weiter zu schleifen“.
Eine Befürworterin warb für ein „Leben ohne ständige Angst, Bürgergeld-Bürokratie und Existenzsorgen“. Ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland verdiene weniger als 14 Euro pro Stunde und gerate dadurch in Altersarmut. Dass das Mittel dagegen eben der Kampf um höhere Löhne sein muss und das BGE nichts anderes als eine staatliche Bezuschussung niedriger Löhne ist, erwähnte sie nicht.
20.000 Menschen hätten abgestimmt, hieß es in einer anderen Fürrede. Das entspricht knapp einem Drittel der Parteimitglieder. „Wir wollen euch nicht delegitimieren, delegitimiert ihr bitte nicht die Basis“, lautete das Argument, mit dem der Parteitag gewonnen werden sollte. Auch andere Befürworter warnten vor einer „Aushöhlung der Demokratie“. Schärfer drückte das ein anderer Delegierter aus: „Ich bin fassungslos. Es ist so beschämend, was hier abläuft“. Er stellte die „Demokratiefähigkeit“ der Partei in Frage. Der Mitgliederentscheid „mag umstritten sein. Aber das ist völlig egal. Wir hatten die Mehrheit“, bezweifelte er die Kompetenz des Parteitags, eigene Entscheidungen zu treffen. Unter Buh-Rufen warnte er vor „Egogewichse“ und davor, dass „Papa Gysi“ und „die ins Amt protegierte neue Parteivorsitzende“ den Mitgliederentscheid torpedieren würden. Man rede über „Awareness“ und „Ungleichheiten“. Am Ende würden die gewinnen, die die „geilsten Satzungstricks“ kennen und nicht die, „die sich einbringen“.
Der Mitgliederentscheid verdiene „Respekt“. Der Parteivorstand müsse einen Vorschlag unterbreiten, aber der Parteitag könne ihn ablehnen, war die Gegenposition dazu. Man wolle eine „solidarische, gesellschaftliche Demokratie“. Vor zwei Jahren habe es kaum Beteiligung an den Debatten gegeben, die meisten Mitglieder hätten gar nicht gewusst, worum es gehe. Wenn einer fragt: „Bist du für ein solidarisches bedingungsloses Grundeinkommen?“, würden alle erstmal „Ja“ sagen.
Auch die neue Parteivorsitzende Ines Schwerdtner beteiligte sich an der Debatte und sprach sich dafür aus, gegen den Antrag des Parteivorstands zu stimmen. Man sei sich einig darin, dass man für ein „menschenwürdiges Leben für Alle“ eintrete. Die Diskussion sei sehr „kulturvoll und zivilisiert“, befand sie. Merz habe bereits die Agenda 2030 angekündigt, die Angriffe auf den Sozialstaat nehmen zu, um jeden Cent müsse gestritten werden. Man müsse sagen: „Wir sind die Verteidigerinnen dieses Sozialstaats“.
Mit überraschend großer Mehrheit lehnte der Parteitag den Antrag des Parteivorstands ab. Das BGE wird nicht ins Programm der „Linken“ aufgenommen – vorerst.