Debatte verhindert

Julian Eder - Debatte verhindert - -
Julian Eder kämpfte dafür, eine Debatte über den Charakter der EU führen zu dürfen. Die Mehrheit wollte das nicht. (Foto: UZ)

Das Grundverständnis des EU-Wahlprogramms steht in der Präaambel. Hier wäre Gelegenheit, für eine Analyse der EU. Doch eine Debatte darüber soll nicht geführt werden. Die Antragskommission empfahl eine Behandlung der vier Ersetzungsanträge für die Präambel im Block. Eine Diskussion über die ideologischen Unterschiede der verschiedenen Texte war dadurch nicht mehr möglich. Die Antragsteller durften ihre Anträge nur noch mit kurzen Begründungen einbringen. Obwohl die Redezeit bei Funktionären des Parteivorstandes über die vergangenen zwei Tage sehr großzügig ausgelegt wurde, entzog die Tagungsleitung den Antragstellern konsequent und lautstark das Wort, sobald die erlaubte eine Minute erreicht war.
Julian Eder von Linksrum Hessen nutzte seine Minute, um darauf hinzuweisen, dass auf dem ganzen Parteitag keine Einordnung der eigenen Politik in größere Zusammenhänge stattgefunden habe. Es sei nur über Details diskutiert worden, aber an keiner Stelle über den Charakter der EU. „Die Linke“ irre, wenn sie den staatlichen Institutionen der EU vorwerfe, nicht genug Mut zu haben, um sich mit den Kapitalisten anzulegen. Richtig wäre das Gegenteil: Die EU ist ein Instrument des Kapitals und als solches gegründet worden.
Eder begründete damit den Antrag: „Gegen das EU-Europa des Krieges und des sozialen Krieges – Für ein soziales und friedliches Europa der Völker“. Darin heißt es unter anderem: „Die EU-Wahlen finden mitten in einem Epochenumbruch statt. Es ist Krieg in Europa. Hunderttausende sind bereits in einem Stellvertreterkrieg gestorben, in dem die EU nicht nur Teil, sondern eine Treiberin der Eskalation des Krieges ist. Millionen sind auf der Flucht. In Deutschland und in Europa werden schon die Kriegskosten eingetrieben. Es sind die kleinen Leute, die diesen Krieg bezahlen.“ Der Antrag behandelte unter anderem den Aufstieg des globalen Südens, und stellte zur EU fest: „Sie ist ein Elitenprojekt, das sich gegen Arbeitnehmer, Geringverdiener und Kleinunternehmer richtet. Die EU beutet den globalen Süden aus, zerstört die Existenzgrundlagen der Menschen dort, verhindert deren Entwicklung, schürt Bürgerkriege und ruft damit die Fluchtwellen hervor, die dann zum Ausbeutungsmaterial europäischer Kapitalisten werden.“
Ein anderer Antragsteller wollte darüber sprechen, dass die Europäische Union nicht dabei helfen könne, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Zudem wurde kritsiert, dass das Wort „Sozialismus“ im gesamten Programm nicht einmal erwähnt werde.
Das störte die große Mehrheit der „erneuerten“ Linkspartei nicht. Alle Anträge zur Präambel wurden im Block abgelehnt. Das EU-Wahlprogramm enthält somit keine Einschätzung der EU, kein Verhältnis zum Imperialismus und kein sozialistisches Ziel. Der Durchmarsch der Parteirechten ist gelungen. Er wurde mit Geschäftsordnungstricks durchgesetzt und mit einer totalen Verweigerungshaltung des Parteivorstandes, über verschiedene Ansichten auch nur zu reden, begleitet.

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