Auf die Siegerstraße?

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Da war was los am Pult: Martin Schirdewans letzte Rede als Parteivorsitzender. (Foto: UZ)

Jetzt ist es auch für Martin Schirdewan soweit: Die letzte Rede als Parteivorsitzender. Ab 13.15 Uhr wird neu gewählt. Vorher darf Schirdewan aber noch – wie alle seine Vorrednerinnen und Vorredner in Amt und Würden – nicht nur die starke Linkspartei loben, sondern auch den Leitantrag in den Parteitag einbringen. Also zum Schluss nochmal unangenehme Aufgaben erledigen. Denn ein vorwärtsweisendes Glanzstück ist der Antrag des Parteivorstands nicht. Das wissen auch die Delegierten, haben sie doch mehr als 200 Änderungsanträge gestellt und wollte der Landesverband Bayern ihn direkt ohne Behandlung an den Parteivorstand überweisen. Zudem kommt ihm auch noch die undankbare Aufgabe zu, den Bericht der Linkspartei aus dem Europaparlament einzuflechten. Da hatten sich Schirdewan und Rackete nicht mit Ruhm bekleckert: Stichwort Taurus-Lieferungen.

Aber erst mal wird losgelobt und losgedankt. Nicht einfach, aber mit Wind im Gesicht sei sie immer da gewesen, man kriege „Die Linke“ nicht so einfach unter, so der scheidende Vorsitzende, der nicht wieder kandidieren will. Um das zu illustrieren, erzählt er Anekdötchen und verteilt Dank, seien doch aktive Linksparteiler einer großen Gefahr durch den rechten Mob ausgesetzt.

Der „neue Faschismus“ greife um sich in Europa, so Schirdewan – und meint damit konkret Viktor Orban. Dem „kleinen Diktator“, so brüstet sich Schirdewan, habe er seine Politik um die Ohren gehauen, um danach – oh Jubel – mit der ganzen Fraktion „Bella Ciao“ anzustimmen. Nochmal zur Erinnerung: Schirdewan hatte sich bei der Frage der Taurus-Lieferungen an die Ukraine enthalten, Carola Rackete sogar dafür gestimmt. „Antifaschistisch“ scheint mit Kriegstreiberei und Abnicken von NATO-Politik in den Augen Schirdewans hervorragend vereinbar zu sein. Sein Abstimmungsverhalten erwähnt er aber nicht. Ansonsten kommen die linken Klassiker von Geld für Alleinerziehenden bis Milliardärssteuern.

Nachdem er „den Parteitag wachgesprochen“ hat, will Schirdewan eigentlich nachdenkliche Töne anschlagen. Stattdessen nennt er das BSW einen „rechtsdrehenden Personenkult“ und schreit ins Mikro, sie stünden „an der Seite von Orban und Putin“. So sieht es aus Sicht der NATO, die offensichtlich auch die Schirdewans ist, wohl aus.

Nach Eigenlob für sich und Wissler für das Aushalten in schweren Zeiten lobt er die Debatte zu Gaza am Abend vorher als „Sternstunde der innerparteilichen Demokratie“. Er nennt Israels Vorgehen in Gaza ein Kriegsverbrechen, fordert einen Waffenstillstand, die Freilassung der Geiseln und eine Zweistaatenlösung. Und muss, wie alle anderen hinterher, betonen, dass in der Linkspartei kein Platz für Antisemitismus ist und „Hamas und Hisbollah keine Befreiungsorganisationen“ seien. Noch schnell die Terrorismusdefinition hinterhergeworfen und weiter populäre Forderungen.

Die Waffenindustrie solle verstaatlicht werden, damit keine Shareholder mehr Geld verdienten. Aber, so setzt er hinterher, der „Antimilitarismus“ der Linkspartei muss sich am Völkerrecht orientieren. Schirdewan orientiert sich aber dann doch lieber an der NATO und geißelt Russland für den Krieg in der Ukraine. Kriegsverbrechen unterstellt er gleich mit. Das ist keine Äquidistanz mehr, diese Sätze hätten genauso aus dem Mund von Bundeskanzler Scholz (SPD) fallen können.

Der Rest ist dann nochmal die Rede eines Parteivorsitzenden: viel Lob, viel „Erneuerung“, viel „wir sind die besten“. Da gehört auch nochmal ein Dank an Ramelow dazu, der als Ministerpräsident „einen Hammerjob“ gemacht habe – genauso wie an Wissler für die „Freundschaft in schwierigen Zeiten“, den Parteivorstand und die persönlichen Mitarbeiter. Dann ist es auch schon Zeit, die Partei „gemeinsam auf die Siegerstraße zurückzuführen“. Die führt, wenn es nach Schirdewans Aussagen geht, Richtung NATO. Da nützt auch die geballte Faust auf der Bühne bei der Lichtshow nichts.

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