Wissler-Rede: Alles neu?

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Ganz geschlossen: Martin Schirdewan umarmt seine Ko-Vorsitzende Janine Wissler nach ihrer Parteitagsrede. (Foto: UZ)

Nachdem Martin Schirdewan bei seiner gestrigen Rede bereits weitgehend auf Inhalte verzichtet hat, um die Partei auf Einigkeit einzuschwören, wird die Antragsdebatte nun nach wenigen Minuten unterbrochen, um Janine Wissler Zeit für ihre Rede zu geben.

Auch ihr Auftritt beginnt mit der für diesen Parteitag typischen Show mit Musik und Bildern der Vorsitzenden.

Zur Sache kommt Wissler erstmal nicht, sondern betont, dass an diesem Wochenende ein „neues Kapitel aufgeschlagen werde“. Auch sie beschwört – wie sollte es an diesem Wochenende in Augsburg anders sein – die Einigkeit der Partei. Und ihre Erneuerung.

Denn die Probleme der Linken, so Wissler, seien mit dem Ende der Auseinandersetzung nicht gelöst. Sie erklärt, dass Wahlniederlagen und „Schwäche in der Fläche“ nicht nur, aber auch am Streit mit den nun Ex-Mitgliedern gelegen habe. Das bedeutet für Wissler aber anscheinend keine Auseinandersetzung mit diesen Gründen, sondern ein Einschwören ganz im Sinne ihres Ko-Vorsitzenden. Es sei die Zeit, solidarisch zu diskutieren, nicht „für inhaltliche Geländegewinne“, sondern, „um die Linke wieder stark zu machen“. Wie man nicht um Inhalte, sondern um Stärke diskutiert, verriet Wissler nicht. Die Botschaft von diesem Parteitag müsse sein: Wir sind wieder da!

Danach gab es alles, was die Herzen der anwesenden Mitglieder erfreute: Kritik an der Ampel, Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit, Verkehrswende und eine freundliche Erwähnung der zu ändernden Eigentumsverhältnisse. Diese sollen „grundlegend verändert“ und „demokratisiert werden“. Das bedeute, dass man das Internet von den digitalen Konzernen befreien werde. Am Kern der Eigentumsfrage, dem Privatbesitz von Produktionsmitteln, schrammte sie vorbei. Lediglich der Berliner Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. Enteignen“ diente ihr als positives Beispiel für mögliche Mehrheiten – ungeachtet der vollkommenen Wirkungslosigkeit des Entscheides. Kritik an der undemokratischen Nicht-Umsetzung oder gar an den diskutierten Entschädigungsleistungen für Wohnkonzerne war nicht zu hören.

Klare Kante zeigte sie in der Frage Krieg in der Ukraine und gegen Gaza: Schuld sind Putin und die Hamas, die israelischen Opfer vom 7. Oktober sind ihr viele detaillierte Worte wert, in Gaza starben für sie „10.000, darunter viele Kinder“.

Ansonsten legte sie Wert darauf, den nun folgenden Antrag zur Zukunft der Linken zu begründen: „Die neuen Mitglieder haben neue Themen mitgebracht“, sie hätten die Partei verändert und das sei auch gut so. Aber sie wisse, dass diese Veränderungen „Unsicherheit mit sich bringen“. Sie sehe zwar die Tradition von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die aber weiterentwickelt werden soll, nicht kopiert. Erneuerung und Veränderung der Linkspartei ist Wisslers großes Thema. Damit schließt sie den Positionen an, die Carola Rackete gestern in der „Zeit“ ankündigte. Dafür kassierte sie den zweiten stehenden Applaus des Parteitags. Etwa ein Drittel der Delegierten blieb aber demonstrativ sitzen.

Unsere Zeit