Die Tarifrunde der IG Metall hat in der zweiten Januarwoche Schwung bekommen. Über 376 000 Beschäftigte aus rund 1 900 Betrieben haben sich seit Ende der Friedenspflicht bis 15. Januar bundesweit an kurzzeitigen Arbeitsniederlegungen, Kundgebungen und Frühschlussaktionen beteiligt. Allein in Baden-Württemberg waren es bis 16. Januar über 120 000 Warnstreikende. Neben der Erhöhung der Entgelte um 6 Prozent wird gefordert, dass die individuelle Arbeitszeit befristet auf bis zu 28 Stunden verringert werden kann. Wird wegen Kindererziehung oder Pflege die Arbeitszeit gesenkt, soll es einen Teillohnausgleich geben, ebenso für besonders belastete Beschäftigtengruppen wie in Schicht Arbeitende. Die letzten Tarifrunden haben gezeigt, dass qualitative Forderungen immer einen zusätzlichen Schwung in Tarifrunden bringen. Kollektive Arbeitszeitverkürzungen mit Lohnausgleich (nicht nur individuelle mit Teilausgleich) hätten die Dynamik sicher noch weiter erhöht, hat doch die jahrzehntelange „Enthaltsamkeit“ beim Thema Arbeitszeit die real geleistete Arbeitszeit um mehrere Stunden verlängert. Sie liegt zur Zeit ca. fünf Stunden über dem Tarifniveau, was die abhängig Beschäftigten mit ihrer Gesundheit bezahlen.
Der bisherige Druck war allerdings noch nicht groß genug, um ein vernünftiges Angebot von Südwest-Metall zu bekommen. In der dritten Verhandlungsrunde für Baden-Württemberg am 11. Januar gab es lediglich minimale Zugeständnisse. So soll eine Expertenkommission eingerichtet werden, die bis zu den nächsten Verhandlungen am 24. Januar Lösungsvorschläge ausarbeiten soll. Diese soll „das Verhältnis von Zeitsouveränität der Beschäftigten zu den Flexibilitätsansprüchen der Unternehmen durchdeklinieren“. Wohin Südwestmetall will ist klar: Sie will die Quote der 40-Stünder ausweiten, also längere Arbeitszeiten, die Ruhezeiten von elf Stunden verringern und die täglichen Höchstarbeitszeitgrenzen von zehn Stunden aufweichen. Dies gilt es zu verhindern.
Die Wucht der Warnstreiks hat der Kapitalseite gezeigt, dass sie mit ihrer Androhung, die Streiks seien rechtswidrig, weil die Forderung rechtswidrig sei, die Kolleginnen und Kollegen nicht einschüchtern konnte. Stefan Wolf, Vorsitzender von Südwestmetall, ruderte deshalb zurück und meinte, dass man eine „vernünftige inhaltliche Auseinandersetzung“ suchen wolle. „Es macht keinen Sinn, dass wir uns in ellenlange Rechtsdiskussionen und Rechtsstreitigkeiten begeben.“ Damit vollzog er eine komplette Wende unter dem Druck der Aktionen.
Bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen fanden bereits drei Warnstreiks statt. Auf der dritten Kundgebung am 15. Januar sagte Uwe Hück, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Porsche AG: „Der Geiz des Arbeitgeberverbandes regt die Belegschaft granatenmäßig auf. Wenn bis Ende Januar kein ordentliches Ergebnis vorliegt, erhöhen wir den Druck. Wie bei einer Zahnpasta-Tube: Man muss unten drücken, damit oben etwas rauskommt. Die Belegschaft hat heute öffentlich für die 24-Stunden-Streiks gestimmt, wenn sich am Verhandlungstisch nichts tut. Dann geht für mindestens einen Tag gar nichts mehr.“ Das gibt die Stimmung auch in anderen Betrieben wieder. Die auf dem Gewerkschaftstag 2015 beschlossene zusätzliche Eskalationsstufe von bezahlten Ganztagesstreiks (ohne Urabstimmung) ist in vielen Betrieben bereits geplant, und die Kollegen brennen darauf, diese Tagesstreiks auch umzusetzen, um Südwestmetall auf Trab zu bringen. So unverschämte Aussagen wie von R. Dulger, Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, „Mehr Geld für Nichtstun wird es mit uns nicht geben“ bringen die Kollegen zusätzlich auf die Palme und sie wollen es „denen da oben“ mal wieder deutlich zeigen, wer hier die Werte schafft. Es wird noch eine ordentliche Schippe drauf gelegt werden müssen, um die Forderungen durchzusetzen.