Benjamin Netanjahu verliert mit seinem Kriegskurs nicht nur die Rückendeckung der eigenen Bevölkerung

Schwindende Unterstützung

Erneut protestierten Hunderttausende Israelis gegen Benjamin Netanjahus Blockadehaltung. Es waren vermutlich die größten Demonstrationen seit den Protesten gegen die Justizreform. Die israelische Zeitung „Haaretz“ titelte: „Netanjahu verdreht Fakten, lügt und verurteilt die Geiseln zum Tode.“

Seit Monaten verbreiten das Weiße Haus und das US-Außenministerium Zuversicht: Ein Abkommen zu einem Waffenstillstand in Gaza und einem Austausch der Geiseln stünde unmittelbar bevor, 90 Prozent aller strittigen Fragen seien geklärt. Doch die Verhandlungen um einen Waffenstillstand in Gaza mäandern ziellos dahin.

Zuletzt sollte US-Präsident Joseph Biden Ende vergangener Woche ein „letztes Angebot“ vorlegen. Dieses Angebot sollte nicht zuvor mit Israel diskutiert werden.

Im Wahlkampf wird die israelische Kriegsführung zunehmend zu einer Belastung für Kamala Harris. Zuletzt machte der Tod der Aktivistin Aisha Nur Izgi Schlagzeilen. Sie hat einen türkischen und einen US-Pass und war auf der Westbank tätig, um Siedler­aktivitäten zu beobachten. Sie wurde von der israelischen Armee während einer Protestaktion erschossen. Der Sprecher des US-Außenministeriums äußerte das tiefste Mitgefühl der Regierung und erwartet die Aufklärung des Geschehens.

Mittlerweile gab Biden auf die Frage eines Journalisten, ob Netanjahu genug tue, um einen Waffenstillstand zu erreichen, eine kurz angebundene Antwort: „Nein!“

Denn weiterhin beharrt Netanjahu auf seiner Kernforderung: der Stationierung von israelischem Militär in Gaza. Öffentlich erklärte er auf einer Pressekonferenz am 2. September, das israelische Militär werde den Philadelphia-Korridor auf absehbare Zeit nicht verlassen. Das sei seine Botschaft an den Führer der Hamas, Yahya Sinwar.

Tatsächlich ist es auch Netanjahus Botschaft an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Für eine zweite Phase des Waffenstillstands verlangt Resolution 2735 des Sicherheitsrats den vollständigen Abzug der israelischen Truppen aus Gaza. Von einem Verbleib israelischer Truppen dort ist an keiner Stelle dieser Resolution die Rede.

Diese Resolution basierte auf einem Vorschlag des US-Präsidenten und wurde im Sicherheitsrat einmütig – bei Enthaltung Russlands – angenommen. Die Hamas stimmte am 2. Juli diesem Vorschlag zu und beharrt bisher auf der Zustimmung zu dieser Resolution.

Slowenien hat im September die Präsidentschaft des Sicherheitsrates inne und der UN-Botschafter des Landes fordert Aktionen ausgehend von Resolution 2735, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Angesichts der Block­ademöglichkeiten der USA mit einem Veto ist es wohl keine realistische Perspektive. Während der letzten Diskussion um Gaza gab es heftigen Streit zwischen den Vertretern der USA und Russlands. Der russische Vertreter wollte vom US-Vertreter Erklärungen dafür, warum die Vorschläge für eine Waffenstillstandsvereinbarung zunehmend von Resolution 2735 abwichen – zugunsten Israels.

Großbritannien hat mittlerweile ein begrenztes Waffenembargo gegen Israel verhängt, das aber wohl mehr der Beruhigung im eigenen Land dient. Die wichtigsten Waffenlieferungen – Ersatzteile für die F-35 – sind vom Embargo ausgenommen, das sowieso nur einen kleinen Teil der Lieferungen betrifft.

Außenministerin Annalena Baer­bock traf wegen der deutschen Unterstützung für Israel der Gegenwind aus der Region. Der jordanische Außenminister erklärte ihr, Israel zu unterstützen bedeute, sich gegen das zu stellen, was Israel tut: das humanitäre Völkerrecht verletzen, zur Eskalation zu drängen, unschuldige Menschen zu töten.

Und das war eine sehr zurückhaltende Formulierung.

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"Schwindende Unterstützung", UZ vom 13. September 2024



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