Eine Uraufführung von Dietmar Dath zur Eröffnung des Brechtfestivals 2025

Schwierig ist, diejenigen zu belehren, auf die man zornig ist

Eine aus einem nicht näher benannten östlichen Kriegsgebiet geflohene Frau, die sich als Informatik-Hilfskraft verdingt. Ein Programmierer, der ein Genie ist. Ein ausgestorbenes Insekt. Ein faschistischer Philosoph. Eine esoterisch-kritische ehemalige Berufsschullehrerin. Ein Bauunternehmer. Die Leute, die auch die Cloud sind. Und Bertolt Brecht, der zeitweise als Sigmund Freud verkleidet ist. Was sich da auf der Brechtbühne des Staatstheaters Augsburg versammelt hat, sind nicht die Zutaten für einen schlechten Witz, sondern – so der Untertitel – für eine „Übung im digitalen Dämonenfaschismus“. Es sind die Figuren von „Deine Arbeit hasst dich, weil sie dich nicht braucht“, dem neuen Theaterstück von Dietmar Dath, das am vergangenen Samstag im Rahmen des Brechtfestivals 2025 in Augsburg uraufgeführt wurde.

Absurd-komisch, schwarzhumorig und bitter ernst ist das, was sich auf den drei nierenförmigen Plattformen (Bühne: Robert Schweer) abspielt, die die Bühne in Hochhausetagen verwandeln. In der Ecke surrt, zu Anfang noch unaufdringlich, das Insekt (Sarah Maria Grünig), das Programmierergenie Lars (Jannis Roth) langweilt sich in der eigenen Überflüssigkeit in der totalen Entfremdung und die geflüchtete Persephone, die bestimmt nicht zufällig nach der mythischen Figur heißt, die sich – von Hades in die Unterwelt entführt – in ihr Schicksal beugt, sucht. Erst einen Fahrstuhl, der das tut, was er soll, anstatt seine Fahrwege zu optimieren, dann ihre Vermieterin, dann ihren Chef. Ihre Vermieterin hat sie eingeladen, denn Bürger sollen in einem Protokoll festhalten, ob dieser oder jener Betrieb in einem Bereich, der irgendwas mit KI, Optimierung und Workflow zu tun hat, Vorbildfunktion hat. In einen „Wettbewerb der Scheiße“ also, wie Lars feststellt. Diesen Wettbewerb will Persephone gewinnen. Der Chef auch, der hat sich dafür einen Baulöwen (Thomas Prazak) eingeladen, der auch Bürgermeister werden will. Und Nick, den faschistischen Philosophen, der mal links war und Angst vor einem Atomkrieg hatte. Sie alle geistern nun durch das stilisierte Hochhaus, einer gelangweilt, andere von sich selbst überzeugt, wieder andere mit dem Drang, wenigstens eine Kleinigkeit zu ändern – nicht aus Überzeugung, sondern weil es anders nicht auszuhalten ist. Übertönt und -schattet wird all das von „Den Leuten“, die der Chor und die Cloud sind und von Regisseur André Brückner für den Großteil des Stückes hinter den Zuschauern platziert wurden. Von hier kommentieren, raunen und murmeln sie Inhalte der weltweiten Kommunikationsverdummung – teils begleitet von Videobildern aus der weiten Welt der Internetgiganten, die das Insekt aus seinem Fliegen- oder Irgendwasleib (Kostüm: Imme Kachel) an die Wände und auf die Zuschauerränge projiziert.

Dabei ist es doch da, um Geister zu jagen. Dafür hat der faschistische Philosoph es schließlich erschaffen lassen. Um diejenigen zu finden, die sich noch auf ihre Individualität und ihren Durchblick etwas einbilden. Denn die müssen weg. Als – verkleidet als Sigmund Freud – derjenige auftaucht, der Licht ins Dunkel der technisierten Albträume bringen könnte, geht die Jagd los. Doch als Freud in einem satanischen Exorzismus der Garaus gemacht werden soll, stellt der faschistische Philosoph zu seinem Entsetzen fest, „In dem Gespenst, das so tut, als ob es die Psychologie der Einzelnen versteht, steckt ein schlimmeres Gespenst!“

Einfache Kost ist Dietmar Daths Text nicht, den André Brückner nun in Augsburg auf die Bühne gebracht hat. Er ist nicht gefällig, verlangt Schauspielerinnen und Schauspielern wie Publikum einiges ab und eignet sich nicht für diejenigen, die nach einer hübsch erzählten Geschichte ohne Nachdenken nach Hause gehen wollen. Für so was braucht man aber auch kein Theater. Das wusste auch das Augsburger Premierenpublikum, das dem Ensemble – allen voran Hanna Eichel, die als esoterisch angehauchte Vermieterin in einem langen Monolog ihre Verzweiflung über die Welt und den Tod ihres Kindes kundtut, und Kai Windhövel als Faschist – lange applaudierte, genauso wie der künstlerischen Leitung und dem Autor.

Man könnte „Deine Arbeit hasst dich …“ für die düstere Form einer Dystopie der (Arbeits-)Welt halten – wäre sie nicht so gegenwärtig. Die Fragen nach (Selbst-)Optimierung, Künstlicher Intelligenz und Ausbeutung in einer Zeit, in der der Zugang zu Informationen doch angeblich „demokratisiert“ ist, sind die der täglichen Auseinandersetzung. Dabei bleibt nicht alles komplett düster. Man könnte ja auch (wie Genie Lars) mal erörternswerte Fragen stellen: Wenn wir uns, so lässt Dath das Genie fragen, immer weisgemacht haben, dass es uninteressante Arbeit gibt (wie Steine schleppen, können Maschinen erledigen) und interessante (wie Gedichte schreiben, können jetzt auch Maschinen) – was ist dann heute interessante Arbeit? Und was machen wir denn nun mit diesen Ausbeutern, die beileibe nicht nur Techgiganten und die dazugehörigen Milliardäre sind? Und mit dem, was man nur begreift, wenn man einen richtigen Begriff vom Faschismus hat?

Ein Happy End gibt es dabei nicht. Aber nachhaltig verstört zu sein über den Zustand der Welt geziemt sich für Marxisten auch nicht. Müssen wir halt alle ein bisschen Brecht sein. Und wenn wir uns heute nicht durchsetzen können, versuchen wir es halt morgen nochmal.

Deine Arbeit hasst dich, weil sie dich nicht braucht
Eine Übung in digitalem Dämonenfaschismus
Von Dietmar Dath
Uraufführung, Staatstheater Augsburg
Inszenierung André Bücker
Bühne Robert Schweer
Kostüme Imme Kachel
Sounddesign Jürgen Branz
Video Robert Zorn
Licht Marco Vitale
Dramaturgie Melanie Pollmann
Einstudierung Chor Stefan Leibold
Mit: Christina Jung. Jannis Roth, Sarah Maria Grünig, Kai Windhövel, Hanna Eichel, Thomas Prazak, Patrick Rupar und der Statisterie des Staatstheaters Augsburg
Noch bis 24. Mai

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"Schwierig ist, diejenigen zu belehren, auf die man zornig ist", UZ vom 28. Februar 2025



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