Amnesty hat seinen aktuellen Bericht zur Todesstrafe vorgestellt und die derzeitige Lage als „besorgniserregend“ gekennzeichnet. Mindestens 1 600 Menschen wurden dem Bericht zufolge im vergangenen Jahr mit dem Tod bestraft, was einem Anstieg der staatlichen Exekutionen um 50 Prozent entspricht. Im Jahre 2014 waren es knapp über 1 000. Die Organisation stellte dabei den größten Teil der Fälle in Pakistan, dem Iran und Saudi-Arabien fest. Aus China gab es wie immer keine verlässlichen Zahlen.
Als kleinen Lichtblick verzeichne man die Abschaffung dieser grausamsten aller Bestrafungen in vier weiteren Ländern, nämlich Fidschi, Kongo, Madagaskar und Surinam. In den USA wurde mit 28 Exekutionen, davon 13 in Texas, ein deutlicher Rückgang verzeichnet, jedoch kann das Land seinen unrühmlichen „Top-5-Platz“ zwischen gleichgesinnten Todesstrafe-Ländern wie Saudi-Arabien und Irak behaupten.
Viele Bundesstaaten der USA haben allerdings auch Hinrichtungen ausgesetzt, weil ihnen zum Aufziehen der Giftspritzen schlicht das Mittel ausgegangen ist und Nachschub besorgt oder durch Gesetzesänderungen andere Tötungsmethoden möglich gemacht werden müssen. Wie dem auch sei: Diese Form der Bestrafung disqualifiziert sich immer wieder, wenn etwa nach Jahrzehnten die Unschuld eines Verurteilten bewiesen wird. Wenn diese Pech haben, findet ihre Rehabilitation allerdings nur noch posthum statt, wie etwa bei einem der bittersten Beispiele der Unmenschlichkeit der Todesstrafe: Der Afroamerikaner George Stinney jr., 1944 im Alter von 14 Jahren von einem ausschließlich mit Weißen besetzten Jury für schuldig befunden und daraufhin hingerichtet, wurde im Jahre 2009 rehabilitiert.
Der gefängnisindustrielle Komplex der USA, in dem abertausende Häftlinge unter diskutablen Bedingungen vegetieren müssen, ist ein Mahlwerk, aus dem auch viele Unschuldige nicht mehr herausfinden oder unter dem Druck von Jahren oder gar Jahrzehnten im Todestrakt schlicht den Mut verlieren und sich in ihr Schicksal fügen. Die Zahl der Befürworter in den USA scheint weiter abzunehmen und ein Umdenken einzusetzen, dass die immer wieder assoziierten Wirkungen der Abschreckung schlicht nicht greifen und die Form der Bestrafung viel zu teuer ist. Die Todesstrafe verstößt nicht nur gegen die ansonsten für die Durchsetzung westlicher Interessen immer gern zitierten Menschenrechte, sie ist auch Zeichen der Unfähigkeit einer Gesellschaft zur Humanität, denn am Umgang mit ihren schlimmsten Subjekten sollte sie sich messen lassen.
Die EU brüstet sich immer gerne damit, dass es in ihren Grenzen solche Formen der Bestrafung nicht mehr geben werde. Dass aber nicht nur wieder erstarkende rechte Organisationen und Parteien eine Wiedereinführung ganz oben auf ihren Agenden haben oder die Ukraine, die bekanntlich engere Bande mit der EU knüpfen möchte, diese Strafe durch das Parlament 2014 wieder einführen ließ, zeigen, dass auch in Europa keine Gewissheit herrschen kann, diese mittelalterliche Strafe los zu sein.